Neujahrskonzert 2022 – Trommelwirbel zum Jahr des Tigers

Am 04.02.2022 wünschte das Konfuzius-Institut Heidelberg schon zum zweiten Mal in diesem Jahr allen ein frohes neues Jahr—diesmal jedoch in Form eines eindrucksvollen Konzerts in der Hebelhalle Heidelberg anlässlich des chinesischen Frühlingsfests, das den Beginn des Jahrs des Tigers markierte.

Die beiden Künstlerinnen des Abends, die Multi-Perkussionistin Shengnan Hu und die Pianistin Fang Liao, performten in der Hebelhalle vor insgesamt 111 Gästen ein eigens arrangiertes Set, bestehend aus Werken von Komponisten aus unterschiedlichen Regionen und Zeiten, unter anderem Huanzhi Li, Johann Sebastian Bach und Arturo Marquez. Nach einer kurzen Begrüßung und Einführung in die Besonderheiten des chinesischen Frühlingsfests durch Dr. Petra Thiel, Direktorin des Konfuzius-Institut Heidelberg, erklang der charakteristische Auftakt der Frühlingsouvertüre von Huanzhi Li aus dem Jahre 1956, einem Klassiker, der auf keiner Neujahrsgala fehlen darf.

Bereits die angekündigten Namen der Komponisten versprachen im Vorfeld für den Abend eine große Varietät an Klangbildern—eine künstlerische Überlegung, die sich wie ein roter Faden durch das Programm zog. So verwunderte es niemanden, dass die musikalisch vertonten, wilden Straßenfeste Chinas in die majestätischen Klänge der Barockzeit überleiteten. Dynamisch und kontrastreich trugen die beiden Künstlerinnen den ersten Satz des italienischen Konzerts von Johann Sebastian Bach vor und hinterließen das Publikum in einer von Gegensätzen bestimmten Atmosphäre zurück, indem sie hinter den schwarzen Vorhängen der Bühne verschwanden. 

 

  • Simplizität, Virtuosität und offene Münder

Kleine Trommel

 

Die „Kleine Trommel“, ein kleines, geradezu unscheinbares Instrument, wurde im abgedunkelten, ehemaligen Lagerhaus, der passenden Kulisse für diesen Konzertabend, als einziges Objekt auf der Bühne vom Scheinwerferlicht angestrahlt. Einige Minuten lang schauten mehr als hundert Menschen in andächtiger Stille gebannt auf das reduzierte Instrumentenarrangement: die kleine Trommel, die daneben liegenden Schlagstöcke und einen Jazzbesen, ohne zu wissen, was sie wohl als nächstes erwarten sollte.

Als die Spannung kaum mehr auszuhalten war, erlöste Shengnan Hu das Publikum, indem sie die Bühne wieder betrat – diesmal jedoch ohne ihre Begleitung Fang Liao, um sogleich das Snare Drum Solo „Asventuras“ von Alexej Gerassimez mit Schlägen der beiden Schlagstöcke aufeinander einzuleiten. Was zunächst so leicht anmutete, entwickelte sich jedoch – das Publikum ahnte es auch bereits – zu einem Sturm, der sich entlud, als beide Schlagstöcke das Fell der kleinen Trommel zum ersten Mal berührten. Spätestens ab diesem Moment, an welchem zwei einfache Schlagstöcke in Kombination mit einer kleinen Trommel so klangen, als würde eine gesamte Trommelparade gleichzeitig spielen, war jedem im Raum bewusst, dass vor ihnen eine wahre Virtuosin ihres Instrumentes steht.

Die präzise, aber dennoch druckvolle Zurschaustellung der Dynamik des Stücks mit nur einer Trommel, begleitet vom mittlerweile tosenden Regen, sorgte im Publikum reihenweise für offene Münder. So bescheiden wie das anfängliche Bühnenbild nahm Shengnan Hu die stehenden Ovationen entgegen und leitete mit Fang Liao in das nächste Stück von Geramissez, „Piazonore“, über, was mit seinen jazzigen Klängen auf die Zuschauer wie eine kleine Pause und ein gelungenes Gegenstück zu „Asventuras“ wirkte. Einen kleinen Eindruck der geschilderten Szenen könnt ihr hier erhalten.  

  

  • Verträumt und leidenschaftlich 

Atmosphärische Szenerie

 

Nach der beachtlichen Demonstration von roher Gewalt und Präzision an der kleinen Trommel deuteten alle Zeichen auf einen erneuten Bruch im Programm hin. Ähnlich wie zuvor wurde das Publikum abermals mit seinen Eindrücken allein gelassen, doch diesmal erstrahlte die Bühne in einem angenehmen rötlichen Licht, was an die Farben einer Abenddämmerung erinnerte.

Anders als Shengnan Hu spannte Fang Liao das Publikum nicht in einer spannungsvollen Stille auf die Folter, sondern fügte sich schnell mit ihrem passenden roten Kleid in die rot erleuchtete Szenerie ein und ließ sogleich die ersten Töne des Solostücks für Klavier, „Colourful Clouds Chasing the Moon – 彩云追月“ von Ren Guang, erklingen. Weich, warm aber dennoch mit einer erstaunlichen Präzision und Klarheit wurde das poetisch anmutende Stück vorgetragen, das wohl jedes chinesische Kind mindestens ein Mal im Klavierunterricht spielen musste. Die verträumte lyrische Melodie in der typischen chinesischen Pentatonik klang wie das genaue Gegenstück zum Solobeitrag von Shengnan Hu und ließ ein zweites Mal keinen Spielraum für Zweifel an den Fähigkeiten der Künstlerin zu.

Für den Schlusstakt standen wieder beide Virtuosinnen auf der Bühne und ließen mit der „inoffiziellen Nationalhymne“ Mexikos, dem „Danzon No. 2“ von Arturo Marquez an diesem Abend lateinamerikanische Rhythmen in Heidelberg erklingen. Ursprünglich als Tango für ein gesamtes Orchester komponiert, arrangierten die beiden Künstlerinnen das Stück für ein Duett für Klavier und Perkussion um, in dem die Eigenheiten ihrer Instrumente bestens in Szene gesetzt wurden, ohne dabei den eigentlichen Charakter des Stücks zu verlieren. Der Lohn: tosender Applaus.

Zugabe!

 

Bevor der Konzertabend jedoch tatsächlich zu Ende gehen konnte, verkündete Shengnan Hu augenzwinkernd mit den Worten Ihr erkennt das alle!“ ihre Zugabe. Mit „Csárdás“, dem wohl bekanntesten Werk des italienischen Komponisten Vittorio Monti, schloss das Neujahrskonzert angemessen. Ursprünglich ein Wandergedicht, begleitet von Violine, Mandoline und Klavier, zeigten Shengnan Hu und Fang Liao noch einmal ihr ganzes Können an ihren Instrumenten. Das Publikum dankte mit begeistertem Applaus und stehenden Ovationen. Wer an diesem Abend nicht dabei war, hat wirklich etwas verpasst!    

Eindrücke:

Dr. Petra Thiel

Präzision und Wucht

Gruppenbild

Geschichte der Chinesischen Medizin und ihre Charakteristika

Im Januar 2022 setzen wir unsere beliebte Reihe zur chinesischen Medizin fort. Das Auftaktthema der für dieses Jahr vorgesehenen sechsteiligen Vortragsreihe befasst sich mit der Geschichte der chinesischen Medizin und ihre Charakteristika. Der Vortrag wird online stattfinden.

Die chinesische Medizin nahm ihre Entwicklung von einer Dämonenmedizin hin zu einem systematischen Gedankengebäude, dessen Grundfeste die Idee von der Einheit von Himmel, Erde und Mensch ist. Daraus eröffnet sich dem Anwender ihrer Gesetzmäßigkeiten ein völlig anderer Blick auf Patient und Krankheit, als dies in der Schulmedizin möglich ist. In ihrem Vortrag wird Andrea-Mercedes Riegel die Geschichte der chinesischen Medizin nachzeichnen und auf ihre Besonderheiten eingehen.

Andrea Mercedes Riegel schloss an ein Sprachenstudium ein Studium der Sinologie, Germanistik und Medizingeschichte an. Sie spezialisierte sich auf klassische chinesische Medizin, studierte 1989-1991 chinesische Medizin an einer privaten Fachschule in Taiwan. Auf die Promotion 1999 in Sinologie folgte 2010 eine weitere in theoretischer Medizin. Sie arbeitet seit 1999 in eigener Praxis. Fachpublikationen, Übersetzungen klassischer medizinischer Texte aus dem Chinesischen in europäische Sprachen sowie Lehrtätigkeit sind weitere Betätigungsfelder.

ChinaCool-Online: Winterspeisen in China

Unsere letzte Ausgabe von ChinaCool in diesem Jahr findet wieder online statt. Referent XIE Jia promoviert am Institut für Sinologie der Universität Heidelberg und wird uns in seinem Vortrag etwas von typischen Winterspeisen aus China berichten.

Was sind typische Gerichte, die man in China im Winter so isst? Aufgrund der unterschiedlichen klimatischen Bedingungen in den Regionen Chinas ist dort Winter nicht gleich Winter. Dementsprechend unterscheiden sich regional auch die Gerichte, die jeweils im Winter gegessen werden. Xie Jia selbst stammt aus der Provinz Jiangsu und wird uns zuerst einen Einblick in die für dort typischen Speisen geben. Danach folgen noch Beispiele aus anderen Regionen.

Die Veranstaltung findet online statt. Eine vorherige Anmeldung ist nicht nötig. Um zur Veranstaltung zu gelangen, klicken Sie bitte hier:

Was ist ChinaCool?

Was wissen Deutsche eigentlich über China? Wie denkt man in Deutschland über China und welche Vorstellungen haben Chines:innen im Gegenzug von Deutschland und was denken Chines:innen über Deutsche?

Bei Chinacool hinterfragen wir gängige Vorurteile und Stereotypen über China und Deutschland und lernen den kulturellen Hintergrund des “anderen” Landes besser kennen. In Kurzvorträgen stellen wir Themen vor, die uns persönlich interessieren, die in China oder Deutschland gerade aktuell sind und uns Einblicke geben in Denken und Kultur in China wie in Deutschland. In kleinen Gruppen unterhalten wir uns in deutscher und chinesischer Sprache und lernen so China und Deutschland nicht nur aus einer oft ganz neuen Perspektive kennen, sondern haben auf diese Weise auch die Möglichkeit, unsere Sprachkenntnisse zu vertiefen, Sprachpartner:innen und Freunde zu finden.

Wir wollen gemeinsam lernen, dabei viel Spaß haben und Themen diskutieren, die uns ganz persönlich interessieren. Chinacool wird gemeinsam mit den Teilnehmer:innen organisiert. Ihr könnt eure Ideen einbringen und gemeinsam mit uns das Format gestalten. Wir freuen uns auf euch!

Vortragsreihe Sinology goes public: Aspekte des Schulwesens der chinesischen Minderheit in Indonesien (online)

Am 15. Dezember 2021 um 17Uhr setzen wir unsere Vortragsreihe Sinology goes public, in der Nachwuchswissenschaftler*Innen ihre Forschungsthemen vorstellen, mit Stanley Setiawan und seinem Vortrag Aspekte des Schulwesens der chinesischen Minderheit in Indonesien fort.

Die chinesischstämmige Minderheit in Indonesien ist eine der größten in Südostasien. Diese Minderheit stellte jedoch nie einen homogenen Block dar, sondern war in unterschiedlichste Gruppen und Interessen aufgeteilt. Im schwierigen Kontext der niederländischen Kolonialherrschaft wurde jedoch ihre Trennung von der „einheimischen“ und der kolonialen Bevölkerung politisch und rechtlich zementiert. Netzwerke von politisch-kulturellen Organisationen wie die 1900 gegründete Vereinigung Tiong Hoa Hwee Koan versuchten durch den Aufbau eines eigenen Schulwesens die gefühlte Vernachlässigung durch die niederländischen Behörden auszugleichen.

Doch welche weiteren Folgen hatte die Einrichtung dieser Bildungsinstitutionen? Wie wirkten sie sich auf die Formierung von kultureller Identität aus? Und wie wird deren Erbe im heutigen Indonesien betrachtet oder gar fortgeführt?

Die Veranstaltung findet online statt, eine vorherige Anmeldung ist nicht nötig. Um zur Veranstaltung zu gelangen, klicken Sie bitte hier:

Stanley Setiawan promoviert derzeit am Institut für Sinologie der Universität Heidelberg. Er hat in Freiburg, Cambridge und Beijing studiert.

 

Der persönliche Blick auf das Leben im chinesischen Lockdown: Wuhan Diary – Tagebuch aus einer gesperrten Stadt

Sara Landa im Gespräch mit Michael Kahn-Ackermann.

Lesung: Johanna Withalm

Das Tagebuch der bekannten chinesischen Schriftstellerin Fang FANG, das im Blog-Format im Zuge des Lockdowns in Wuhan entstanden ist, ist ein einzigartiges Zeitdokument über den Kampf gegen einen unsichtbaren Feind, den die Menschen in Wuhan zu Beginn der Covid-19-Pandemie weltweit als erste führten. Am 25. Januar 2020, d.h. zwei Tage nachdem erstmals in der Geschichte eine 9-Millionen-Einwohner-Stadt komplett von der Außenwelt abgeriegelt wurde, beginnt Fang, online Tagebuch zu schreiben. Eingeschlossen in ihrer Wohnung berichtet sie vom Hereinbrechen und dem Verlauf einer durch einen Virus ausgelösten Krise, von der Panik während der ersten Tage der Covid-19-Epidemie bis zu ihrer erfolgreichen Eindämmung. Sie erzählt von der Einsamkeit, dem Leid der Erkrankten, der Angehörigen von Verstorbenen und der wachsenden Solidarität unter Nachbarn. Sara Landa (CATS) wird mit dem deutschen Übersetzer des Tagebuchs und langjährigen Kulturvermittler Michael Kahn-Ackermann über ausgesuchte Einträge und die Herausforderungen des Übersetzens einer nicht literarisch angelegten Sammlung an Einträgen und Gedanken sprechen.

Kurzbiografien:

Michael Kahn-Ackermann studierte Sinologie an der LMU München und in Peking. Er war Gründungsdirektor des Goethe-Instituts Peking, das er nach Stationen in Moskau und Rom von 2007 bis 2011 auch leitete. Kahn-Ackermann lebt in Nanjing und hat zahlreiche Werke der chinesischen Gegenwartsliteratur ins Deutsche übersetzt, zuletzt Fang Fangs Roman Weiches Begräbnis (软埋 Ruan mai, 2021), der für den Internationalen Literaturpreis 2021 nominiert war.

Sara Kathrin Landa ist Projektmitarbeiterin des am Center for Asian and Transcultural Studies (CATS) angesiedelten Kollegs „Worldmaking in a Global Context: a Dialogue with China“, wo sie zu „Environmental, Political and Aesthetic Crises and Transformations: Challenges of Literary Representation between Socialism and Postsocialism (ca. 1965-1995)—a Transcultural Perspective” forscht. Im Sommersemester initiierte das Kolleg ein Leseprojekt, das sich mit Pandemie-Literatur aus unterschiedlichen historischen, geografischen und kulturellen Kontexten beschäftigte: die „Pandemic Readings“.

Über die Autorin:

Fang FANG, geb. 1955, ist eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Chinas. Seit ihrem zweiten Lebensjahr lebt sie in Wuhan. Fang FANG veröffentlichte eine Vielzahl an Romanen, Novellen, Kurzgeschichten und Essays. Im Zentrum ihrer Erzählungen stehen häufig die Armen und Entrechteten. Im Jahr 2016 veröffentlichte sie den von der Kritik gefeierten Roman 软埋 Ruan mai, für den sie den Lu Yao Preis erhielt. In Deutschland erschien der Roman in diesem Jahr unter dem Titel Weiches Begräbnis.

Online-Veranstaltung in deutscher Sprache. Um der Veranstaltung beizutreten, klicken Sie bitte hier:

 

Diese Veranstaltung ist Teil der Reihe Von Pandemien und Dystopien: Zeitgenössische Stimmen aus China und der sinophonen Welt.

In Kooperation mit dem Center for Asian and Transcultural Studies (CATS).

Zwischen den Kulturen, zwischen den Zeichen – Interkulturelle Gestaltung Europa-China

Online-Veranstaltung mit der Berliner Buchkünstlerin und Grafik-Designerin Yimeng WU (Studio Wu).

In der heutigen komplexen Welt reicht es nicht, eine Botschaft zwischen unterschiedlichen Ländern rein auf der sprachlichen Ebene zu übersetzen.

Auch die visuelle Gestaltung vermittelt über Bilder Botschaften über das Unbekannte und Fremde. Der Vortrag beschäftigt sich mit dem Thema interkulturelles Design und den Herausforderungen bei der kreativen Arbeit zwischen China und Europa. Die Designerin Yimeng Wu, Autorin des Buches „Yaotaos Zeichen“ (erschienen 2017 beim kunstanstifter verlag) und Gründerin von Studio Wu 無 (www.studiowudesign.com) in Berlin, welches spezialisiert ist auf interkulturelle Kommunikationsprojekte, führt Sie ein in die Welt der multilingualen Gestaltung. Sie gewährt Einblick in künstlerische Gestaltungsprozesse und Trends in der heutigen Grafikdesignszene China. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der multilingualen Typografie – der Herausforderung, chinesische Schriften mit lateinischen Buchstaben zu kombinieren.

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Um der Veranstaltung beizutreten, klicken Sie bitte hier:

Über die Referentin:

Yimeng Wu ist Kommunikationsdesignerin (Diplom bei Fons Hickmann, Universität der Künste Berlin), Künstlerin und Autorin. Ihre Kindheit verbrachte sie Shanghai und dem Ruhrgebiet und ist seither gestaltend zwischen den Ländern tätig. Die Wahlberlinerin ist Gründerin des Designstudios “Studio Wu 無” mit Fokus auf “Interkulturelle Gestaltung”. Das Spektrum reicht von Illustration, Schriftgestaltung und Buchkunst bis hin zu visuellen Identitäten für Auftraggeber

in China und Europa. Arbeiten wurden international ausgestellt und vielfach ausgezeichnet: u. a. mit dem German Design Award, den  schönsten Büchern Deutschlands und Chinas. Regelmäßig gibt sie Workshops und Lehrveranstaltungen an Hochschulen wie der Tsinghua Universität Peking, Nanjing Fine Arts Academy.

Mehr Infos: www.studiowudesign.com

Online-Lesung und Gespräch: Science-Fiction Literatur aus China – Die Siliziuminsel von Qiufan CHEN

Frederike Schneider-Vielsäcker und Chiara Cigarini im Gespräch.
Lesung: Johanna Withalm
Gespräch in englischer, Lesung in deutscher Sprache

Die Siliziuminsel ist das Romandebüt des zeitgenössischen chinesischen Science-Fiction-Autors Qiufan CHEN. Die dystopische Erzählung ist von den verheerenden Zuständen in Chens Heimatprovinz Guangdong, wo toxischer Elektroschrott aus aller Welt recycelt wird, inspiriert. Auf der titelgebenden Siliziuminsel im Süden Chinas, die durch die giftigen Dämpfe kaum mehr bewohnbar ist, wird das Leben von lokalen Clans, chinesischen Behörden und internationaler Machtpolitik bestimmt. Da lehnen sich die unterdrückten und als „Müllmenschen“ ausgegrenzten Wanderarbeitenden gegen die Elite auf. Angeführt wird die Rebellion von Mimi, die sich nach einer Virusinfektion in ein posthumanes Wesen verwandelt. Gelesen in der Zeit der COVID-19-Pandemie erscheinen die im Science-Fiction-Roman beschriebenen Zustände erschreckend real.

 

Kurzbiografien:

Frederike Schneider-Vielsäcker, geboren 1986, studierte Asienwissenschaften an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Chinastudien am Seminar für Ostasienwissenschaften der Freien Universität Berlin, wo sie von 2014 bis 2018 auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig war. Ihre Dissertation beschäftigt sich mit sozialpolitischen Diskursen in der zeitgenössischen chinesischen Science-Fiction-Literatur. Von 2017 bis 2020 war sie Redakteurin bei Kapsel, der ersten deutschen Zeitschrift für chinesische Science-Fiction-Literatur, und hat eine Veranstaltungsreihe mit namhaften Science-Fiction-Autor:innen aus China mitorganisiert. Seit 2020 ist sie am Institut für Sinologie der Universität Heidelberg tätig. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich neben Science-Fiction-Literatur noch mit Queerness und Feminismus in China und Taiwan.

Dr. Chiara Cigarini ist Forscherin und Übersetzerin, derzeit ist sie an der Universität Ca’Foscari in Venedig tätig, wo sie zuvor Sinologie studierte. Ihre Promotion zur gegenwärtigen chinesischen Science-Fiction-Literatur wurde von dem auf diesem Gebiet renommierten Wissenschaftler und Science-Fiction-Autor Wu Yan an der Beijing Normal University betreut. Ihre Forschungsarbeit befasst sich insbesondere mit den experimentellen Texten des Science-Fiction-Autors Han Song. Für die zweisprachige chinesische Science-Fiction-Anthologie Nebula übersetzte sie eine Kurzgeschichte von Wu Yan ins Italienische. In China arbeitet sie eng mit dem Research Center for Science and Human Imagination der Southern University of Science and Technology in Shenzhen und in Italien mit dem unabhängigen Verlag Future Fiction zusammen.

Über den Autor:

Qiufan CHEN, geb. 1981 in der Provinz Guangdong, VR China, ist einer der bekanntesten und mehrfach ausgezeichneten Science-Fiction-Autoren der jüngeren Generation. Sein preisgekrönter Debütroman Die Siliziuminsel erschien 2013 auf Chinesisch und 2019 in deutscher Sprache. Nach seinem Studium in Film und Literatur an der renommierten Peking Universität arbeitete er bei Google und Baidu. Seine erste Kurzgeschichte veröffentlichte er 1997 in Chinas größter Science-Fiction-Zeitschrift Kehuan Shijie (Die Welt der Science-Fiction). Sein Stil wird als „Science-Fiction-Realismus“ bezeichnet, da seine Erzählungen reale Lebenswirklichkeiten abbilden. Seine Science-Fiction wurde bereits in viele Sprachen übersetzt. Im Jahr 2018 war er Gast auf der Frankfurter Buchmesse.

Diese Veranstaltung ist Teil der Reihe Von Pandemien und Dystopien: Zeitgenössische Stimmen aus China und der sinophonen Welt.

In Kooperation mit dem Center for Asian and Transcultural Studies (CATS).

 

 

Re:member – Videoprojektion mit elektronischer Musik und Live-Performance

Eintritt (nur Abendkasse): 10 EUR / 5 EUR (Mitglieder)

BITTE BEACHTEN SIE: Aufgrund der aktuellen Lage gilt für die Veranstaltung die 2G+ Regel. Das heißt, dass nur Genesene und Geimpfte Zutritt haben, die einen tagesaktuellen Schnelltest aus einem offiziellen Testzentrum oder einen PCR-Test, der maximal 48 Stunden zurückliegt, vorlegen. Bitte beachten Sie auch, dass der Zutritt mit dem gelben Impfpass nicht mehr möglich ist; es muss ein QR-Code per App oder in Papierform mitgeführt werden. Aufgrund der begrenzten Sitzplätze raten wir zudem dazu, Eintrittskarten vorab unter info@konfuzius-institut-heidelberg.de zu reservieren. Wir hinterlegen diese gerne an der Abendkasse. Die Abendkasse öffnet 45 Minuten vor Veranstaltungsbeginn. Ihnen vielen Dank für Ihr Verständnis und Ihre Kooperation!

Die Zusammenarbeit zwischen der in Deutschland lebenden Komponistin Dong ZHOU und der taiwanesischen Tänzerin Jess Chiayi Seetoo entsprang dem Wunsch, die räumliche Distanz zwischen ihren beiden Lebensmittelpunkten – den Hafenstädten Hamburg und Shanghai – in einem gemeinsamen Projekt künstlerisch zu überbrücken. Zu zweit machten sie sich auf die Suche nach neuen Formen der Erzählung und der Kollaboration.

Material fanden die beiden Künstlerinnen in ihren jeweils individuellen und dennoch durch Parallelen gekennzeichneten Biografien. In ihren Familiengeschichten, die sowohl von westlichen als auch von chinesischen Musiktraditionen geprägt sind, sahen sie Potenzial für eine multiperspektivische Performance. So waren verschiedene Verwandte Seetoos Musiker – ihre Großtante sogar stimmführende Cellistin im Chinesischen Nationalorchester und eine der Meisterschülerinnen des berühmten russischen Cellisten Mstislav Rostropovich. Ihr Tod im Mai 2021 markierte das Ende des direkten Familienstammbaums. Dong ZHOU entstammt ebenfalls einer Musikerfamilie. Für sie spielt die chinesische Tradition der Seiden- und Bambusmusik (Jiangnan Sizhu) eine wichtige Rolle.

In der gemeinsamen Performance, die aus einer aufgezeichneten Choreografie der Tänzerin und Choreografin Jess Chiayi Seetoo und den elektronischen Klängen der Multimediakomponistin und Musikerin Dong ZHOU besteht, verarbeiten die beiden Künstlerinnen signifikante Elemente und Materialien ihrer Biografien sowie der ihrer familiären Geschichte und Herkunft, indem sie diese collagenartig anordnen und miteinander in Beziehung bringen. Das Videoprojekt mit Live-Performance ist eine Reflexion über das Leben mehrerer Generationen zwischen Asien und Europa. Immer wieder werden Filmpassagen kommentiert durch live eingeschobene musikalische Abschnitte und Improvisationen auf der westlichen Violine und ihrem chinesischen Pendant, der chinesischen Kniegeige Erhu. Es ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang, eine Reflexion darüber, wie ein neuer Raum der künstlerischen Kollaboration geschaffen werden kann – virtuell, physisch und dazwischen.

Elektronische Musik: Dong ZHOU
Tanz und Choreografie: Jess Chiayi Seetoo
Chinesische Erhu: Tzu-Ning LIAO
Violine: Dong ZHOU
Konzeption: Dong ZHOU, Jess Chiayi Seetoo

In Kooperation mit dem KlangForum Heidelberg e.V.

Vortragsreihe Sinology goes public: Laut, Bedeutung, Form – Die chinesische Sprache zwischen Erforschung und Reform

Am 25. November 2021 um 18 Uhr setzen wir unsere Vortragsreihe Sinology goes public, in der Nachwuchswissenschaftler*Innen ihre Forschungsthemen vorstellen, mit Mariana Münning und ihrem Vortrag Laut, Bedeutung, Form – Die chinesische Sprache zwischen Erforschung und Reform fort.

Der Vortrag ist als Präsenzveranstaltung in den Räumen des Konfuzius-Instituts Heidelberg geplant. Sollte es pandemiebedingt zu Änderungen kommen, werden diese auf der Website bekannt gegeben. Unser Hygienekonzept für Veranstaltungen finden Sie hier.

Das 20. Jahrhundert in China war von radikalen Sprachreformen geprägt. Dieser Vortrag beschreibt, wie die beteiligten Linguisten moderne westliche Sprachwissenschaft und traditionelle chinesische Philologie miteinander vereinten, um Fragen zu klären wie: Was soll die chinesische Standardsprache sein? Was ist ein Wort im Chinesischen? (Wie) Kann die Schrift reformiert werden?

Die Hauptrolle in diesem Vortrag spielt Wei Jiangong 魏建功 (1901-1980), der unter anderem für die Kompilation des meistverkauften Wörterbuchs der Welt bekannt ist. An seinem Beispiel werden die größten Streitpunkte in der Sprachplanung des 20. Jahrhunderts unter Einbezug seiner Kollegen behandelt. Obwohl die durchgesetzten Reformmaßnahmen oft als großer Einschnitt in die chinesische Sprachwelt gesehen werden, zeigt das stetige Abwägen zwischen sprachwissenschaftlicher Deskription und politischer Präskription von Linguisten wie Wei Jiangong, dass sie auch als ein Schritt zur sprachlichen Selbstbestimmung gesehen werden müssen.

Das englischsprachige Buch zum Thema erscheint unter dem Titel Sound, Meaning, Shape: The Phonologist Wei Jiangong (1901–1980) between Language Study and Language Planning im Winter 2021/2022 bei Crossasia-Ebooks: https://crossasia-books.ub.uni-heidelberg.de/xasia/catalog/preview

Mariana Münning ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sinologie der Universität Heidelberg. Sie forscht, lehrt und publiziert vor allem in den Bereichen Sprachwissenschaft, Sprachplanung und Schulbücher im China des 20. Jahrhunderts.

 

 

Bild oben: Erste Seite von Wei Jiangongs Manuskript Hanzi shengyunxue 漢字聲韵學 (Phonologie der chinesischen Schriftzeichen) Familienbesitz, Peking, ca. 1935.

Sehnsucht nach Shanghai – Die Autorin Lingyuan LUO im Gespräch mit Prof. Dr. Gertrud M. Rösch

Veranstaltung zum Bundesweiten Vorlesetag

Eintritt frei. Begrenzte Platzzahl. Es gilt die 2-G-Regel (Stand: 17.11.2021; Anpassungen anhand der aktuellen Lage möglich). Unser Hygienekonzept finden Sie hier: Hygienekonzept Veranstaltungen

Die amerikanische Journalistin Emily Hahn geht 1935 in Shanghai von Bord – wenig später liegt der schönen amerikanischen Journalistin die Stadt zu Füßen, in den Staaten reißt man sich um ihre China-Reportagen für den New Yorker. Als sie den Dichter und Verleger Zau Sinmay ( 邵洵美 Shao Xunmei) trifft, ist es Liebe auf den ersten Blick. Er ist gebildet, attraktiv, millionenschwer – und verheiratet. Eine leidenschaftliche Affäre beginnt, Emily erhält Zugang zur künstlerischen Avantgarde und gehobenen chinesischen Gesellschaft. Als der Krieg über Shanghai hereinbricht, riskiert sie ihr Leben für Zau und seine Familie. Eine letzte gemeinsame Reise führt die Liebenden nach Hongkong. Emily gelingt mit Zaus Hilfe der große Wurf, ihre Biografie über die einflussreichen Soong Sisters macht sie weltberühmt. Doch Zau muss nach Shanghai zurück, und das Schicksal will, dass Emily dem britischen Geheimdienst in die Arme läuft…

Am Bundesweiten Vorlesetag treffen die Autorin Lingyuan Luo und die Germanistin Gertrud Maria Rösch erneut in Heidelberg aufeinander, um über Luos aktuellen Roman über eine ungewöhnliche Frau, eine legendäre Liebe und eine spannende Zeitreise nach Shanghai, das „Paris des Ostens“ der wilden Dreißigerjahre, zu sprechen. Es liest die Heidelberger Schauspielerin Johanna Withalm.

Lingyuan LUO wurde 1963 in China geboren. Sie studierte Computerwissenschaft und Journalismus in Shanghai und lebt seit 1990 in Berlin, wo sie auch anfing, ihre Texte in deutscher Sprache zu verfassen. Ihr erster Erzählband Du fliegst jetzt für meinen Sohn aus dem fünften Stock (2005) wurde mit dem Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis ausgezeichnet. 2017 erhielt sie den Erfurter Stadtschreiber-Literaturpreis, 2020 war sie Alfred-Döblin-Stipendiatin der Akademie der Künste in Berlin. Zahlreiche ihrer Romane beschäftigen sich mit deutsch-chinesischen Begegnungen und den Missverständnissen, die damit einhergehen, wie z.B. Die chinesische Delegation (2007), Wie eine Chinesin schwanger wird (2009) oder der Erzählband Nachtschwimmen im Rhein (2008). Ihr aktueller Roman Die chinesische Orchidee (2019) ist im zeitgenössischen China angesiedelt und erzählt von den Aufstiegsbestrebungen einer machtbewussten Frau. Ihren neuesten Roman Sehnsucht nach Shanghai (2021) siedelte sie im Jahr 1935 in Shanghai an und verarbeitete darin das schillernde Leben der amerikanischen Journalistin Emily Hahn. Lingyuan Luos Literaturschaffen wurde mit zahlreichen Stipendien gefördert, darunter dem Alfred-Döblin Stipendium, dem Arbeitsstipendium des Berliner Senats und dem Grenzgänger-Programm der Robert Bosch Stiftung.

Weitere Werke:

2008: Die Sterne von Shenzhen (Roman)

2013: Das Mädchen, der Koch und der Drache (Roman)

2018: Gelbe Seide: Geschichten aus China und Deutschland (Erzählungen)

2019: Die chinesische Orchidee (Roman)

2021: Sehnsucht nach Shanghai (Roman)

Gertrud Maria Rösch ist seit 2005 als Professorin am Institut für Deutsch als Fremdsprachenphilologie (IDF) der Universität Heidelberg tätig. Schwerpunkt ihrer Forschung ist das Verhältnis von Fiktionalität und Faktizität. Neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit zum Schlüsselroman beschäftigt sie sich in zahlreichen interdisziplinär und intermedial ausgerichteten Aufsätzen mit der historischen Anthropologie, den Gender Studien sowie der Satire und Karikatur. Sie ist Mitherausgeberin des Literaturwissenschaftlichen Jahrbuchs sowie der Zeitschrift Literaturstraße: Deutsch-chinesisches Jahrbuch für Sprache, Literatur und Kultur. Gastprofessuren führten sie in die USA, nach Ägypten und auch nach China. Auch als Partnerschaftsbeauftragte für die Shanghai International Studies University, eine Partneruniversität der Universität Heidelberg, ist sie mit China auf vielfältige Weise verbunden.