2. – 25 Juli 2021: Chinesische Regisseurinnen 2018 bis heute – Rückbesinnung auf die Familie?
Die letzten Jahre haben in China eine Reihe an bemerkenswerten Filmen von Regisseurinnen gesehen: Erstlingswerke wie auch Streifen etablierter Filmemacherinnen, die durch Qualität und Eigenwilligkeit beeindrucken. Auffallend ist eine offensichtliche Auseinandersetzung mit Familienthemen: das Heranwachsen und langsame Erwachsenwerden junger Menschen, oft junger Mädchen, das mit ernsten Fragen des Lebens oder ersten Abschiedserfahrungen einhergeht; die konfliktgeprägte Mutter-Tochter-Beziehung, Verlust und Reifeprozesse. Feinfühlige menschliche Analysen sind eingebettet in farbenprächtige Naturaufnahmen. Die Frage, inwieweit diese Familienbilder stellvertretend für nationale Strukturen und Gegebenheiten verstanden werden können, bleibt den Zuschauern überlassen. In jedem Fall werden sie um menschliche Erfahrungen und Einsichten bereichert.
Bitte beachten Sie, dass nicht alle Filme online zugänglich sein werden. Drei der ausgesuchten Filme werden im Karlstorkino gezeigt, einer davon ist nur dort zu sehen. Dr. Isabel Wolte (Universität Wien), Expertin für chinesischen Film, wird anwesend sein und in die Filme einführen. Drei weitere Filme sind ausschließlich online zu sehen. Bitte beachten Sie die aktuellen Corona-Regeln des Karlstorkinos.
Kino 2. – 4. Juli 2021
Karlstorkino: Freitag, 2.7.: 19 Uhr: A first Farewell (86′ + 30′ Nachgespräch)
《第一次的离别》A First Farewell (Di yi ci de li bie)
China, 2018; OmeU, 86min
Regie: Wang Lina
Tief im Nordwesten Chinas lebt Isa in einer uigurischen Dorfgemeinschaft. Neben der Schule und der Arbeit auf dem kleinen Hof seiner Eltern verbringt er unbeschwerte Tage mit seinen Freunden. Bis die Außenwelt ihm immer mehr Abschiede abverlangt.
Wang Lina: Geboren 1987 in Xinjiang. Regie-Studium an der Chinesischen Universität für Medienkommunikation. A First Farewell ist ihr Debütfilm und gewann den Best Asian Future Film Award beim Tokyo International Film Festival wie auch den Großen Preis der Internationalen Jury von Generation Kplus bei der Berlinale 2019.
《春潮》Spring Tide (Chun chao)
China, 2019; OmdtU, 124min
Regie: Yang Lina
Drei Generationen, jeweils Mutter und Tochter. Anhand einer Familie wird ein eindringliches wie universelles Bild des Lebens und Fühlens chinesischer Frauen gezeichnet. Die rasanten Änderungen im China der letzten Jahrzehnte hinterließen tiefe Gräben zwischen den Generationen.
„Jede von uns ist geprägt durch die Zeit, in der wir leben, und durch unsere Familie. … Dieser Film ist wie ein Spiegel, er reflektiert nicht nur unsere Sorgen, sondern auch alltägliche Themen, Wärme und Hoffnung. “ (Zitat Yang Lina).
Yang Lina, geb 1972, ist eine international anerkannte Regisseurin des unabhängigen chinesischen Dokumentarfilms. Spring Tide ist der zweite Spielfilm einer Trilogie über chinesische Frauen nach Longing for the Rain (2013).
《过春天》The Crossing (Guo chun tian)
China, 2019; OmeU, 99min
Regie: Bai Xue
Von den Kontrollbeamten kaum beachtet, passiert die 16-jährige Peipei täglich den Übergang zwischen dem chinesischen Festland und Hongkong. Sie träumt von einer Reise nach Japan, doch ihr fehlt das Geld. Auf einer Party lernt sie Hao kennen, der Mitglied einer Schmugglerbande ist. Vorbei an Hochhausschluchten und durch schummrige Lagerhallen führt der Film mitten in die Transitzone zweier Grenzmetropolen. Die Versprechen der Moderne vor Augen und mit brandneuen iPhones im Gepäck, wagt Peipei den riskanten Übergang in die Eigenständigkeit.
Bai Xue, Regie-Studium an der Pekinger Filmakademie. The Crossing ist ihre Lang-Spielfilmdebüt und premierte auf dem Toronto International Film Festival.
NUR ONLINE ZUGÄNGLICH
12.-18.7.2021: Red Flowers, Green Leaves
《红花绿叶》Red Flowers, Green Leaves (Hong hua, lü ye)
China, 2018; OmeU, 96min
Regie: Liu Miaomiao
Obwohl der 22 jährige Gubo an einer unbenannten Krankheit leidet, soll er verheiratet werden. Die Eltern der Witwe Asheeyen sind einverstanden, da ihr Mann und große Liebe tragisch verstorben ist. Anfangs unwillig und schwierig, nimmt die Beziehung eine positive Wendung.
Zur Gänze in einem Dorf der Hui Nationalität mit Laiendarstellern gedreht, gibt dieser Film der Regisseurin der 5.Generation Liu Miaomiao (geb. 1962) Einblick in das Leben der moslemischen Ethnie in der Provinz Gansu. Liu Miaomiao wie auch der taiwanesische Autor Shi Shuqing der Erzählung, die diesem Film zugrunde liegt, sind selbst Hui.
《长风镇》Changfeng Town (Changfeng zhen)
China 2019; OmeU, 124min
Regie: Wang Jing
Dieser einzigartige Film entführt in einen wundersamen Mikrokosmos von Menschen aller Altersgruppen und verschiedener Professionen. Ihre seltsamen und komischen Geschichten werden aus der Perspektive einer Gruppe umherstreunender Lausbuben gezeichnet. In fünf Episoden entsteht ein magisch-realistisches Bild der imaginären Kleinstadt Changfeng, Die Menschen kennen einander alle und sind mit ihrem Leben zufrieden. Hin und wieder fliegt ein Flugzeug vorbei und erinnert an die Welt außerhalb dieser Kleinstadt. So ist dieser Film auch eine Geschichte des allmählichen Erwachsen-Werdens.
Geprägt von Nostalgie für eine vergangene Zeit, blickt Regisseurin Wang Jing (geb 1981) in ihrem zweiten Film auf ihren Heimatort.
19.-25.7.2021: Summer is the Coldest Season
《少女佳禾》Summer is the Coldest Season (Xiao nü Jiahe)
China, 2020; OmeU, 121min
Regie: Zhou Sun
Die sensible, introvertierte Jiahe lernt den Jungen Yu Lei kennen, der in direkter Verbindung mit dem Tod ihrer Mutter steht, er wurde frühzeitig aus der Besserungsanstalt entlassen. Wie ein Puzzle setzt sich Stück für Stück die Geschichte zusammen, kompromisslos führt der Film durch die komplexen Gefühlsprozesse des jungen Mädchens, die sie ihrem Vater wieder näherbringen und sie letztlich zur Vergebung führen.
Summer is the Coldest Season ist eine eigenwillige coming-of-age Geschichte. In ihrem Debütfilm beweist Regisseurin Zhou Sun ihr Talent als Erzählerin psychologischer Prozesse.
Isabel Wolte, Universität Wien, studierte zunächst Informatik und Künstliche Intelligenz, dann Klassische Philosophie an der Universität Edinburgh. Von 2003 bis 2011 lebte sie in Peking. 2009 wurde sie an der Peking Film Akademie promoviert. Ihre Doktorarbeit legte sie auf Chinesisch vor.
Seit 2003 ist sie Geschäftsführerin ihrer eigenen, familiengeführten Firma “China Film Consult Wolte KG”, die für die Förderung des kulturellen Austauschs und der Zusammenarbeit mit China auf dem Gebiet der Kultur, vor allem im Bereich Film, tätig ist, u.a. bei der Organisation und Konzeption von chinesischen Filmprojekten und Beratung bei Koproduktionen und Drehs in China.
Seit 2010 ist Isabel Wolte Lektorin am Institut für Ostasienwissenschaften/Sinologie der Universität Wien und war außerdem 2011 bis 2015 Lektorin an der Beijing Film Academy, daneben publiziert sie und hält Vorträge zum chinesischen Filmschaffen.