Vortragreihe Sinology goes public: Wie klingen Kollaborateure und Landesverräter?

Quelle: Archivbild: Shouduhuabao, 1.9.1936

In unserer Reihe Sinology goes public stellen Nachwuchswissenschaftler*Innen ihre Forschungsthemen vor. Am 19. Mai 2021 geht es weiter mit dem Vortrag

Wie klingen Kollaborateure und Landesverräter? 

Drei Musiker, drei Geschichten: der vor Energie strotzende Komponist Jiang Wenye kommt 1938 nach Peking, fasziniert von der traditionsreichen Stadt. Die junge Sopranistin Li Xianglan reist beständig durch das japanisch besetzte China und „verführt“ mit ihrer Stimme. Und dann ist da noch ein junger Mensch mit einer Mundharmonika, dessen Namen wir nicht kennen. Wie begegnen sich die drei? Warum ist ihre Geschichte so lange im Verborgenen geblieben?  

In diesem Vortrag erzählt Odila Schröder von ihrer Forschung zu Propagandamusik im japanisch besetzten Peking während des Zweiten Weltkrieges. Sie erklärt, warum viele Historiker von diesem Thema lieber schweigen und lässt uns hineinhören in die 1930-1940er Jahre. 

Sie wird uns auch davon berichten, wie sie kurzzeitig Beraterin einer Romanautorin wurde, welchen altbekannten europäischen Liedern man in der chinesischen Geschichte unverhofft wiederbegegnet, was ihr Thema mit aktuellen Projekten wie Chinas neuer Seidenstraße zu tun hat und was wir lernen können, wenn wir nur etwas aufmerksamer in die Tiefen der Geschichte lauschen.  

Nach ersten chinesischen Tonverwirrungen, Zeichenmalereien, und einer Konzertreise nach Nanjing während der Schulzeit verbrachte Odila Schröder direkt nach dem Abitur ein Jahr an der Tsinghua Universität in Peking. Ab 2010 studierte sie Ostasienwissenschaften/Sinologie und Politikwissenschaft in Heidelberg und legte 2012-2013 einen Zwischenstopp in Cambridge ein. Von 2012-2016 beschäftigte sie sich außerdem mit ethnischen, sozioökonomischen und religiösen Konflikten in China und Myanmar. Zwischen 2013-2015 war sie zudem als Koordinatorin der Initiative „China an die Schulen!“ tätig. 2017 schloss sie ihr Masterstudium Sinologie und Transcultural Studies in Heidelberg ab und begann noch im gleichen Jahr ihre Promotion an der University of Nottingham im Rahmen des  Projektes Cultures of Occupation in Twentieth Century Asia. Seit Oktober 2020 arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sinologie der Universität  Heidelberg und ist als Projektkoordinatorin der China-Schul-Akademie tätig.

Der Vortrag findet als Teams-Livestream statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Zugangsdaten zum Livestream folgen.

Festvortrag zu Ehren Günther Debons

Am 13. Mai dieses Jahres wäre Günther Debon (1921-2005) 100 Jahre alt geworden. Debon studierte ab 1948 Sinologie, Japanologie und Sanskrit in München. Zwischen 1968 und 1986 hatte er den Lehrstuhl für Sinologie an der Universität Heidelberg inne. Nach seiner Emeritierung widmete er sich auch der deutschsprachigen Literatur und ihrer Verbindung zu China, vor allem den Werken Goethes und Schillers.  Günther Debon veröffentlichte Werke zur ostasiatischen Lyrik, widmete sich dabei vorwiegend der chinesischen und japanischen Dichtkunst. Günther Debon zählt bis heute zu den profiliertesten Übersetzern chinesischer Lyrik.

Zu Ehren Günther Debons wird Wolfgang Kubin, Experte der chinesischen Literatur und selbst Übersetzer und Autor, den Festvortrag halten.

Festvortrag zu Ehren Günther Debons, am 13.5.2021 um 18 Uhr s.t. 

Wolfgang Kubin (Universität Bonn):

„Make it New? Günther Debon als Herausforderung für die Kunst der Übersetzung“

Die Veranstaltung findet über die Plattform Zoom statt. Um teilzunehmen, klicken Sie hier:

Sie können sich über die Zoom-App auch mit folgenden Daten einwählen:

Meeting ID: 941 1038 2974

Passcode: 880015

ChinaCool: Schulleben in China

Wir haben uns sehr gefreut, dass wir am 12. Mai Anna Hersener als Referentin bei ChinaCool-Online begrüßen konnten! Anna Hersener hat an der Universität Heidelberg Rechtswissenschaft studiert und gerade mit dem Referendariat am Landgericht Mosbach begonnen. Seit der sechsten Klasse lernt sie schon Chinesisch und hat 2012/13 ein Auslandsjahr in Shenzhen, China verbracht, bei einer chinesischen Gastfamilie gewohnt und ist dort zur Schule gegangen. Dieser Austausch war das Thema ihres Vortrags.

Nach einer kurzen Einführung in das chinesische Schulsystem im Allgemeinen berichtete Anna zuerst von ihrem Schulalltag in China. In Shenzhen hat sie die zehnte Klasse der Shenzhen Middle School besucht, die beste Schule der Stadt. An der Schule gibt es zwei Systeme mit jeweils unterschiedlichen Abschlüssen für die Schüler. Zum einen kann man dort auf die chinesische Schulabschlussprüfung (高考 gaokao) hinarbeiten. Zum anderen gab es einen internationalen Teil mit dem Ziel, am Ende die amerikanische Hochschulzulassungsprüfungen, die SATs, zu bestehen.

Anna besuchte den chinesischen Teil, was anfangs natürlich schwieriger war, sich aber als sehr förderlich für ihre Chinesischkenntnisse herausgestellt hat. Ein Schultag begann um 7.30 mit einer halben Stunde vorlesen. Danach hatte sie bis zur Mittagspause um 12.00 Uhr Unterricht. Um 14.00 Uhr ging es dann mit drei Stunden Unterricht weiter. Danach war Annas Schultag auch schon vorbei. Ihre chinesischen Mitschüler hatten allerdings dann allerdings erst noch eine Pause bis es von 19.00 – 21.30 Uhr hieß: Selbststudium.

Annas Verhältnis zu ihren Mitschülern war sehr gut. Als einzige Austauschschülerin und als einziges blondes Mädchen auf dem Campus war sie schon eine kleine Attraktion. Viele gingen interessiert auf sie zu, einige sahen dies auch als gute Gelegenheit, ihr Englisch an Anna auszuprobieren. Auf der anderen Seite gab es auch einige, die etwas neidisch waren. Als Austauschschülerin war Anna nicht dem Leistungsdruck ausgesetzt, mit dem sich ihre Mitschüler konfrontiert sahen.

Der Unterricht war vor allem anfangs für Anna sehr schwierig, vor allem wegen der Sprachbarriere. Das erste Halbjahr hat sie deshalb vor allem genutzt, um möglichst viel Chinesisch zu lernen, damit sie im Unterricht gut mitkommt. Ihre Lehrer haben auch Rücksicht auf sie genommen und versucht, sie so gut es geht einzubinden. Ein Lichtblick in Annas Schulalltag war der Englischunterricht, da sie hier sehr gut mitkam und den Lehrer teilweise sogar unterstützen konnte. Ihre Schule bot zudem noch eine Deutsch-AG an, bei der sie ab und zu mitmachte.

Alles in allem war ihr Austauschjahr in Shenzhen eine tolle Erfahrung für Anna. Sie hat dort nicht nur ihre Chinesischkenntnisse verbessern und eine fremde Kultur aus der Nähe kennenlernen können, sondern auch ein “zweites Zuhause” gefunden. Sie freut sich über jede Gelegenheit, die sie wieder nach China bringt und war seitdem auch öfter wieder dort. Auch zu ihrer alten Gastfamilie hat sie noch regelmäßig Kontakt.

Chinesische Medizin und Rheuma

Am 29.04.2021 ging es in der Vortragsreihe zur chinesischen Medizin des Konfuzius-Instituts Heidelberg in Kooperation mit der Akademie für Ältere Heidelberg um das Thema „Chinesische Medizin und Rheuma“. Nach einer Einführung von Heidi Marweg, Programmleiterin am Konfuzius-Institut Heidelberg, ging die Heilpraktikerin und Expertin für chinesische Medizin Dr. Andrea Mercedes Riegel ausführlich auf die Grenzen und Chancen bei der Behandlung von Rheuma sowie seine Disharmoniemuster ein.

Sie führte aus, dass Rheuma eine chronische Erkrankung sei. Insbesondere das entzündliche Rheuma bereite Patienten wie Ärzten Probleme, da es nicht heilbar ist. Zunächst stellte sie grundlegende Züge der westlichen Medizin dar und erläuterte den rheumatischen Formenkreis, der viele verschiedene Krankheitsbilder umfasse, denen „Zustände, die mit schubweise auftretenden Schmerzen und Funktionseinschränkungen am Bewegungsapparat einhergehen“ gemein seien. Typische Rheumabeschwerden: Schmerzen, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, erhöhte Körpertemperatur, Spannungsgefühl, morgendliche Steifigkeit der Gelenke, Entzündungen der Muskeln oder Sehnen sowie der Gelenke und Schwellungen. In der westlichen Medizin unterscheide man vier große Gruppen:

► entzündlich-rheumatische Erkrankung

► degenerative Gelenk- und Wirbelsäulen-Erkrankungen

► Weichteilrheumatismus

► Stoffwechselerkrankungen mit rheumatischen Beschwerden

Unter den entzündlichen Formen am häufigsten und bekanntesten ist die chronische Polyarthritis neben der Spondylarthritis Morbus Bechterew. Die standardisierte Rheuma-Therapie in der Schulmedizin legt das Hauptgewicht insbesondere auf Schmerzlinderung und Hemmung der entzündlichen Prozesse mit cortisonfreien Entzündungshemmern, steroiden Medikamenten, physikalischer Therapie (Massagen, KG, Wärme, Kälte), psychologischen Maßnahmen sowie spezieller Diätetik. Die westliche Naturheilkunde hält schmerzlindernde und entzündungshemmende Heilpflanzen wie Teufelskralle, Arnika, Cayennepfeffer und Weihrauch bereit, daneben Brennnessel als „Blutreiniger“. In der Homöopathie findet z.B. Rhus toxicodendron, Teufelskralle und Arnika Anwendung.

Die chinesische Medizin nennt Rheuma Wind-Feuchtigkeitskrankheit (fengshi bing 风湿病); dies aufgrund der Beobachtung, dass sich die Beschwerden des Rheumapatienten insbesondere bei feuchter Witterung und bei Wind verschlechtern, Sturm und Regen die widrigsten Bedingungen für den Rheumapatienten sind. Sie unterscheidet zwei Grundtypen, den Hitze- und den Kältetyp. Merkmale beim Kälterheuma sind: Arthrosen, Kältegefühl, Schwellungen ohne Überwärmung, Bewegungseinschränkung, Schmerzen bei Bewegung, blasse Zunge, langsamer Puls. Wärme bessert.

Merkmale des Hitzerheumas sind: Arthritiden, Schwellungen, Überwärmung, Rötungen, Fieber, Schmerzen auch in Ruhe, rote Zunge (evtl. gelb belegt), rascher Puls. Kälte bessert.

Das allgemeine Therapieprinzip lautet: Aktivieren der Blut- und Qi-Zirkulation, Befreien der Leitbahnen und Netzgefäße, Stärken des Wei-Qi, Stärken von Qi und Blut, Ausleiten von Wind und Feuchtigkeit. Der Kältetyp kann sich zum Hitzetyp verändern und umgekehrt. Es gilt in der Therapie immer, die Veränderungen der Symptomatik zu berücksichtigen und die Therapie darauf einzustellen. In der Rheumatherapie sind auch stets Leber und Niere zu stärken. Grundsätzlich können in der Rheumatherapie alle therapeutischen Maßnahmen der chinesischen Medizin zum Einsatz kommen, darunter zahlreiche Heilpflanzen, die Wind ausleitend sind und die Leitbahnen frei machen sowie den Blut- und Qi-Fluss anregen, daneben die Akupunktur.

Einige Heilpflanzen darunter besitzen gleichzeitig eine stärkende Wirkung auf Leber und Niere wie vor allem der Maulbeerzweig (sangzhi 桑枝), der Zweig der Maulbeermistel (sangjisheng 桑寄生), die speziell auf die Blasenleitbahn wirkende Wurzel der Clematis (weilingxian 威灵仙), die Wurzel der Angelica pubescentis (duhuo 独活), die feuchtigkeitsausleitende und abschwellende Wirkung besitzt. Für die Rheumaforschung interessant ist aktuell die Dreiflügelfrucht Tripterygium wilfordii (leigongteng 雷公藤). Daneben werden in der chinesischen Kräutertherapie für die Rheumabehandlung auch Produkte aus wirbellosen Tieren verwendet, wie etwa der Regenwurm (dilong 地龙) oder der Blutegel (shuizhi 水蛭). In der Akupunktur kommen u.a. zum Einsatz die Zustimmungspunkte für Leber und Niere und Punkte mit Wind ausleitender Wirkung.

Der Fragenkatalog zur Diagnostik bezieht speziell auch die Frage nach der genauen Lokalisation der Schmerzen ein, um die betroffenen Leitbahnen auszumachen. Weiter spielt die Lokalisierbarkeit der Schmerzen eine entscheidende Rolle; wandernde, nicht genau lokalisierbare Schmerzen deuten auf den pathogenen Faktor Wind hin. Je deutlicher dieser Faktor in den Vordergrund tritt, desto mehr muss die Akupunktur- oder Kräutertherapie darauf abgestimmt werden. Schmerz entsteht durch Blockaden im Fluss von Qi und Blut, Disharmonie im Zusammenspiel der Innenorgane, Disharmonie von Yin und Yang. Die Symptomatik des Rheumas ergibt sich durch Obstruktion der Leitbahnen und Netzgefäße durch Eindringen von Wind, Kälte, Nässe bei schwacher Abwehrenergie. Es wird damit ein gewisses immunologisches Defizit als ursächlich anerkannt. Diesem Defizit bemächtigen sich pathogene Faktoren als Krankheitsauslöser. Prinzipiell kommen aus chinesisch-medizinischer Sicht Vertreter aller Typen pathologischer Faktoren als Auslöser in Frage: Exogene Faktoren (Klima), Witterungseinflüsse Kälte, Wind, Nässe, Feuchtigkeit; Endogene Faktoren (Psyche), Hitze (Stress); Heterogene Faktoren (Lebensstil) Fehlernährung, Nahrungsmittel(Allergien), Biorhythmus

Als Fazit bleibt: Die chinesische Medizin ist eine sinnvolle Ergänzung zur Schulmedizin in der Rheumatherapie. Ihr Vorteil liegt in der Fähigkeit, die Aktivität der Antikörper zu reduzieren und eine Verbesserung der immunologischen Situation herzustellen. Eine deutliche Schmerzlinderung bringt letztlich eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität. Daneben hat die Praxis bestätigt, dass neben Gelenkschmerzen auch die Gelenkbeweglichkeit verbessert werden kann, Gelenkdeformationen und Schwellungen eingedämmt werden können, insbesondere bei regelmäßigem Durchführen der Qigong-Übungen. Einziger Wermutstropfen bleibt die Tatsache, dass eine Heilung nicht möglich ist, der Patient kurmäßig immer wieder Akupunktur und Kräutermedizin in Anspruch nehmen muss.

Andrea Mercedes Riegel schloss an ein Sprachenstudium ein Studium der Sinologie, Germanistik und Medizingeschichte an. Sie spezialisierte sich auf klassische chinesische Medizin, studierte 1989-1991 chinesische Medizin an einer privaten Fachschule in Taiwan. Auf die Promotion 1999 in Sinologie folgte 2010 die zweite in theoretischer Medizin. Sie arbeitet seit 1999 in eigener Praxis, Fachpublikationen, Übersetzungen klassischer medizinischer Texte aus dem Chinesischen in europäische Sprachen sowie Lehrtätigkeit sind weitere Betätigungsfelder.

(Angaben basieren auf dem Vortrag sowie dem Vortragsmanuskript von Andrea-Mercedes Riegel)

Hier finden Sie die Präsentationsfolien des Vortrags: 20210429_CM und Rheuma

 

 

Filmvorstellung mit Gespräch “Weiyena – Ein Heimatfilm”

Weiyena – Ein Heimatfilm

Regie: Weina Zhao

Co-Regie und Kamera: Judith Benedikt

Filmscreening mit anschließendem Gespräch mit den Regisseurinnen. Die Moderation übernimmt Lin Hierse (taz).

Film in deutscher Sprache, zum Teil mit deutschen Untertiteln und deutschem Voice-Over.

Bereits in ihrem Namen vereint Weina Zhao die beiden Kulturen, die sie nachhaltig prägten. So nannten ihre Eltern sie „Wien“, als sie von China nach Österreich auswanderten. Gemeinsam mit Co-Regisseurin Judith Benedikt nähert sich Weina Zhao in „Weiyena – Ein Heimatfilm“ behutsam der Geschichte ihrer Familie mütterlicher- und väterlicherseits und dringt dabei doch so viel tiefer in die Geschehnisse des 20. Jahrhunderts in China vor.

Seit jeher interessierte sich die in Peking geborene und in Wien aufgewachsene Filmemacherin Weina Zhao für die Vergangenheit ihrer Eltern und Großeltern, wagte es jedoch nie, all die Fragen zu stellen, die sie so lange schon beschäftigten. Erst dieses Filmprojekt gab den Anstoß, das lange Schweigen zu brechen und das Familiennarrativ neu zu erzählen.

Ihre Reisen zu den Großeltern nach China sowie die zahlreichen Gespräche, die sie mit ihnen führt, decken die Lebensrealitäten der beiden Familienzweige auf, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Die einen Intellektuelle und Filmemacher*innen aus dem glamourösen Shanghai der 1930er Jahre, die anderen arme Bauern aus dem Norden. Beide Seiten werden jedoch gleichsam von den eruptiven Geschehnissen der Zeit eingeholt. So verdichten sich in den Biographien beider Familien die Entwicklungen Chinas vom Langen Marsch über die Kulturrevolution bis ins Heute.

Die individuellen Perspektiven, der Austausch zwischen den Generationen und das neue Zusammenfügen des Familienpuzzles bringen schließlich zutage, wie unterschiedlich wir erinnern, wie Grenzüberschreitungen – geographische und historische – unsere Identität prägen, wie transgenerationale Traumata entstehen und wie das Reden über diese Traumata auch Heilung bewirken kann. Ein berührendes Dokument, das anregt, sich selbst die Frage zu stellen: Wie ist das eigentlich in meiner Familie?

Die Dokumentation wurde mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet. „Weiyena – Ein Heimatfilm“ gewann u.a. den Austrian Documentary Award (ADA) und war der Gewinnerfilm des DOK.fests München.

Link zum Trailer: https://vimeo.com/398016938

Der Film ist ab Montag, 26.04. um 18:30 Uhr für 24 Stunden verfügbar.

Das Filmgespräch findet am Dienstag, d. 27.04. um 20 Uhr über ZOOM statt.

Für die Zugangslinks zum Film sowie zum anschließenden Filmgespräch melden Sie sich bitte an unter: info@konfuzius-institut-heidelberg.de

Kurzbiographien:

Weina Zhao hat Sinologie studiert und ist Filmemacherin und Autorin. Mit ihren Arbeiten versucht sie unsere Seh- und Denkgewohnheiten herauszufordern. Sie ist Mitbegründerin des Perilla Zines und der Filmproduktionsfirma Electric Shadows Laufbilderzeugungsanstalt.

 

 

 

Judith Benedikt hat Bildtechnik und Kamera an der Filmakademie Wien studiert. Seit 2003 ist sie als Kamerafrau für zahlreiche preisgekrönte Dokumentarfilme und Spielfilme tätig.

 

 

Lin Hierse hat Asienwissenschaften und Stadtforschung studiert und arbeitet als Journalistin und Autorin. Sie ist Redakteurin der taz am wochenende. Alle 14 Tage erscheint ihre Kolumne „poetical correctness“ in der taz.

 

 

 

 

 

Veranstalter: Konfuzius-Institut Heidelberg in Kooperation mit Konfuzius-Institut Freiburg

 

ChinaCool: Studieren auf Chinesisch

Wir haben uns sehr gefreut, für unseren ChinaCool-Vortrag im April Jakob Erlei, der uns von seinem Bachelor-Studium in China erzählt hat, als Referenten begrüßen zu dürfen! Nach seinem Abitur und einem Jahr Zivildienst ging es für Jakob auch schon direkt nach China. Zuerst besuchte er für ein Jahr einen Sprachkurs an der Tongji-Universität in Shanghai, bevor er schlussendlich seinen Bachelor an der Shanghai International Studies University begann.

Die Entscheidung für die Tongji-Universität geschah aus pragmatischen Gründen: Da Jakob sich recht kurzfristig dazu entschlossen hatte, nach China zu gehen, war bei ihr als einzige Universität noch das Anmeldeverfahren für Sprachkurse offen. Damals erfolgte die Anmeldung noch per Post. Per Post bekam Jakob dann auch einige Unterlagen zurück, unter anderem auch eine ausgedruckte Karte von Shanghai, die ihn bei seiner ersten Ankunft dort unterstützen sollte.

An der Tongji-Universität gab es verschiedene Sprachkurse. Im ersten Semester war Jakob im Non-Degree Programme, welches sich vorrangig an Expats oder Stipendiaten richtet. In diesen Kursen, die halbtags stattfanden, kam er aber vom Gefühl her eher schleppend voran. Nach einigen Gesprächen und Verhandlungen mit den Lehrern wurde ihm dann erlaubt, im zweiten Semester in das Bachelorprogramm für Chinesisch zu wechseln. Dort konnte er dann schnell große Fortschritte machen. Auch in seinem Alltag hatte er viele Möglichkeiten, Chinesisch zu üben. In seiner WG lebte er mit ein paar Chinesen zusammen, die zudem kein Englisch sprachen. Die Tatsache, dass viele Leute an der Tongji-Universität Deutsch lernen, half auch sehr bei der Suche nach Tandempartnern. Im Laufe seines Chinesischkurses kam ihm dann die Idee, einen ganzen Bachelor in China zu machen.

So entschied er sich für den Studiengang „International Public Relations“ an der Shanghai International Studies University. Der Campus befindet sich in Songjiang, etwas weiter entfernt vom Stadtzentrum Shanghais.

Als Bachelorstudent in einem regulären chinesischen Bachelorstudiengang wurde er bis auf wenige Ausnahmen komplett gleich wie seine chinesischen Kommilitonen behandelt. Ausnahmen waren das Militärtraining und der Sozialismus-Unterricht, die man normalerweise absolvieren muss, an denen er nicht teilnehmen musste. Auch einen Platz im chinesischen Wohnheim konnte er nicht bekommen und hat deshalb außerhalb der Universität eine Wohnung gemietet. Sonst war der Uni-Alltag gleich. Wie seine Kommilitonen musste Jakob bestimmte zusätzliche Fächer absolvieren, darunter vier Semester Sportunterricht und ein Semester chinesische Literatur. Teilweise durfte er in seinen Klausuren und Abschlussarbeiten Englisch benutzen, aber das kam auf die jeweiligen Lehrkräfte an.

Schlussendlich konnte Jakob seinen Bachelor in Shanghai erfolgreich abschließen. Natürlich war nicht immer alles ganz einfach, wie man es bei so einem langen Auslandsaufenthalt auch erwarten kann. Insgesamt überwiegen für ihn aber die guten Aspekte dieser Erfahrung. Vor allem der einmalige Einblick in Kultur und Alltag in China sticht als größter Vorteil heraus. Und nebenbei kann man natürlich auch sehr gut Chinesisch lernen.

Chinesische Medizin und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

In Kooperation mit dem Konfuzius-Institut an der Universität Heidelberg und der Akademie für Ältere setzte Frau Dr. Dr. Andrea-Mercedes Riegel unsere seit vielen Jahren beliebte und erfolgreiche Vortragsreihe zur Chinesischen Medizin und Heilkunde am 25.03.2021 im digitalen Rahmen fort. Die Heilpraktikerin Andrea Riegel führt eine Praxis für klassische chinesische Medizin in Oftersheim bei Heidelberg und gibt regelmäßig im Rahmen ihrer Vorträge exklusive Einblicke in die chinesische Naturheilkunde.

Herz-Kreislauferkrankungen nehmen in der heutigen Zeit stetig zu. Insbesondere der Bluthochdruck ist ein Phänomen bei steigender Stressbelastung. Zwar stehen in der Schulmedizin unterschiedliche Arten von Blutdrucksenkern zur Verfügung, doch kann sich ein Blick auf Alternativen in der chinesischen Medizin lohnen.

Nach einer Einführung in die Thematik durch Heidi Marweg ging Andrea Riegel zunächst auf die Funktion des Herzens ein. Das Herz sei dasjenige Organ, welches für die Versorgung des gesamten Organismus mit Blut und damit Sauerstoff verantwortlich ist. Gesteuert von einem autonomen Reizleitungssystem erfolge ein permanenter Austausch zwischen sauerstoffarmem und sauerstoffreichem Blut. Das sauerstoffreiche Blut aus der Lunge werde mit 70 bis 80 ml pro Herzschlag, 6L pro Minute in die Peripherie gepumpt. Das Funktionieren des Kreislaufsystems hänge vornehmlich von der Leistungsfähigkeit des Herzens und der Beschaffenheit der Blutgefäße ab. Herz-Kreislauferkrankungen oder „cardio-vasculäre Erkrankungen“ stellten in der modernen Gesellschaft allerdings ein großes Problem dar und seien weltweit für viele Todesfälle verantwortlich. Risikofaktoren für Herz und Gefäße seien neben Stress Ernährungsfehler, Alkohol, Nikotin, Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Adipositas. Daneben kämen auch Allergien und vor allem Lebensmittelunverträglichkeiten für eine Erhöhung des Blutdrucks in Betracht. Zu den „Krankheiten des Kreislaufsystems“ zählen laut ICD Akutes rheumatisches Fieber, Rheumatische Klappenstenosen, Hypertonie, Koronare Herzkrankheit KHK und Infarkt, Pulmonale Hypertonie („cor pulmonale“), Entzündungen des Herzens (Endocorditis, Myocarditis, Pericarditis), Zerebrovasculäre Krankheiten (Hirnblutung), Arterielle Verschlusskrankheit (AVK), Venenerkrankungen (Krampfadern, Thrombosen) und Lymphstagnationen, sonstige Störungen des Kreislaufsystems (Hypotonie).

Die Behandlung cardio-vaskulärer Erkrankungen erfolge meist über entsprechende Medikamente wie Statine (Cholesterinsenker), Blutdrucksenker mit verschiedenen Wirkmechanismen und Blutverdünner. Meist seien jedoch Herz-Kreislaufmedikamente nicht die einzigen Präparate auf der Medikamentenliste der Patienten, so dass sich die Frage nach Alternativen durchaus stelle.

Schaue man sich das Ganze nun aus dem Blickwinkel der chinesischen Medizin an, so sei eine ganz klare Hierarchie der Innenorgane auszumachen. Das Herz sei im Organismus der absolute Herrscher, der im Zentrum des Himmelsbereiches des Menschen stehe, direkt umhüllt vom obersten Minister Perikard und flankiert von seinem Premierminister Lunge. Seine weiteren Minister sind Leber als „Zuarbeiter“ und Niere als Kontrolleur: Der Herrscher müsse mitunter vor sich selbst beschützt werden, diese Aufgabe übernehme im Organismus die Niere. Das Herz werde in alten Abbildungen als eine sich öffnende Lotusblume mit Verbindungsfäden zu den übrigen Speicherorganen Niere, Leber Milz und dem stabilen Verbindungsrohr zur Lunge dargestellt.

Im Rahmen der fünf Phasentheorie ist das Herz ein Speicherorgan von fünf. Es unterhalte eine Mutter-Sohn-Beziehung zur Leber (Mutter) und eine zur Milz (Sohn). Es kontrolliere die Lunge (Metall) und werde von der Niere (Wasser) kontrolliert. Zuordnungen:

Farbe Struktur Sinnesorgan Jahreszeit Pathogener Faktor Geschmack Speicher
rot Gefäße Zunge Sommer Hitze bitter Shen Freude

Um das Herz mit seinen Funktionen aus Sicht der chinesischen Medizin zu verstehen, sei hilfreich, so Riegel, die einzelnen Funktionen zu „interpretieren“. Das Herz sei tatsächlich dasjenige Organ, an dem sich die unterschiedlichen Organfunktionen der Innenorgane Yang, Yin und Qi am ehesten darlegen ließen. Die Yang-Funktion ist die grundlegendste Funktion, um eine Organfunktion zu erhalten. Im Organismus ist sie Grundlage für die Qi-Funktion und kann entweder im Organ selbst oder zentral gefunden werden. Im Falle des Herzens liege für die Yang- Funktion das Herzreizleitungssystem, das Herz-Kreislaufzentrum im Hirnstamm, das limbische System und den Sympathikus vor. Herz-Yin könne dementsprechend einerseits das Organ selbst bezeichnen, andererseits die emotionale Kontrolle oder den Vagus; denn das Herz und der Blutdruck würden durch die beiden Sympathikus und Parasympathikus moduliert. Die Qi-Funktion bezeichne die Pumpfunktion des Herzens. Die Feuer-Wasser-Beziehung im Organismus ist wohl die wichtigste Organbeziehung überhaupt. Wir kennen aus den Klassikern die Aussagen „Herz und Niere kommunizieren miteinander“, „Wasser und Feuer nähren einander“, „Wasser und Feuer berühren einander“. Es gehe demnach nicht um Zerstörung, sondern um gegenseitige Unterstützung.

Herz-Yang werde benötigt, um die Niere anzuwärmen, um sie in die Lage zu versetzen, Essenz für die Bildung von Herz-Blut bereitzustellen, das auch den Geist (shen 神) speichere, und mit ihrem Wasser Herz-Feuer zu kontrollieren. Das Herz-Qi (Pumpfunktion) wird benötigt, um das Blut in die Peripherie zu treiben. Die Harmonie zwischen Herz und Niere ist wesentlich für die Gesundheit des Organismus, für den regulären Blutkreislauf und als Basis für mentale Gesundheit. Die “Kommunikation” zwischen beiden ist daher essentiell. Problematisch wird die Situation, wenn Herz-Feuer und Nieren-Wasser auseinanderdriften. Das ist eine wesentliche Ursache für Bluthochdruck mit all seinen Symptomen und mentale Störungen wie innere Unruhe, Nervosität, Angststörungen (Herz-Hitze).

Wie könnte man sich eine derartige Störung in der Niere-Herz-Achse aus Sicht der Schulmedizin vorstellen?

Niereninsuffizienz (Nieren-Yang-Leere): Durch den Verbleib harnpflichtiger Stoffe im Körper steigt der Blutdruck.

Hyperthyreose (Nieren-Yin-Leere): Fehlende Kontrolle der Schilddrüsenachse führt zu Bluthochdruck und Nervosität, Palpitation, Schweißausbrüchen.

Nieren-Arterien-Stenose: Der bildliche „Abriss“ der Verbindung zwischen Niere und Herz führt zur Erhöhung des Blutdrucks (RAAS).

Aus dem Bereich des fünf Phasensystems wird deutlich, dass die Faktoren Stress, Ärger und Hektik, die die Leber belasten, sich wiederum negativ auf das Herz und damit den Blutdruck auswirken können. Ähnliches gilt für die Mitte, die Milz, die für ihre Funktion von ausgewogener Ernährung abhängig ist. Fehlernährung kann sich in jedem Falle langfristig auf Herz und Kreislauf auswirken ebenso wie – nicht erkannte – Lebensmittelunverträglichkeiten, die für „Hitze“ im Bereich der Mitte verantwortlich sind.

Für die Therapie von Herz-Kreislaufproblemen kommen sämtliche therapeutische Anwendungen in Frage: Akupunktur, Kräutertherapie, Bewegungstherapie und Diätetik. Aufgrund der klaren Unterscheidung der unterschiedlichen Herzaspekte lassen sich direkte Zuordnungen treffen und je nach Ursache und Pathomechanismus Therapieziele festlegen. In jedem Fall aber ist die Niere als Kontroll- und Unterstützungsorgan mit zu berücksichtigen.

Bluthochdruck (Hypertonie): Symptome: rotes Gesicht, Kopfschmerz, evtl. bitterer Mundgeschmack, Schlafstörung, Ohrensausen, Nervosität, Nasenbluten, Kurzatmigkeit, Schwindelgefühl, schnelles Schwitzen

CM: Herz-Hitze, Herz-Feuer: Therapieziel: Herz-Feuer löschen, Nieren-Wasser stärken; Akupunktur Hauptpunkte: Ni 3 – He 7 und/oder Pe 6 – Le 3, Ma 36, Ren 15; Kräuter: Coptidis Rhizoma/Cinnamomi Cortex, Salviae miltiorrhizae Radix (danshen), Curcumae Rhizoma, Moutan Cortex

Niedriger Blutdruck (Hypotonie) – Kreislaufprobleme: Symptome: Kopfschmerz, Schwindel, Übelkeit, kalte Hände/Füße, Blässe, Schwindel, Ohnmacht, Herzklopfen

CM: Herz-Qi-Leere, Blutleere: Herz-Qi stärken, Blut und Niere nähren; Akupunktur: Ren 6 – Ma 36, Di 10 (shousanli), Di 4 – Le 3 (siguanxue); Kräuter: Atractylodis macro. Rhizoma, Poria cocos, Codonopsitis Radix, Ginseng Radix

Angina pectoris/Herzinfarkt: Symptome: Brustenge, Brennen retrosternal

CM: Herz-Bi (Herz-Obstruktion), Brust-Bi (Brust-Obstruktion), Schleim-Hitze bedrängt das Herz (Arteriosklerose): Therapieziel: Blut- und QI-Zirkulation im Bereich des Herzens anregen; Akupunktur: Ren 17, Pe 4 oder Pe 6, Ren12, Ren 15, Ma 36; Kräuter: Schizandra Fructus, Citri sarcodactylis Fructus, Crataegi Fructus

Grundsätzlich ist zu beachten, dass sich Therapieziel und Therapie stets nach dem Gesamtbild des Patienten richten und auf jeden Menschen vom Therapeuten  individuell zugeschnitten wird.

Regelmäßige Bewegung, die Beachtung bestimmter Ernährungsregeln, gerade bei Bluthochdruck, sind unabdingbar. Ergänzend hierzu sind immer wieder kurweise Akupunkturbehandlungen oder Kräutertherapie in Anspruch zu nehmen. Die Praxis habe gezeigt, dass bereits sehr einfache Akupunkturpunktekombinationen eine große Wirkung auf eine Normalisierung des Blutdrucks ausüben könne. Dis gelte auch für die Implantatakupunktur, bei der Implantate an bestimmte Punkte im Ohr angebracht würden, um dort über mehrere Monate zu verbleiben und einen regulativen Dauerreiz auszuüben.

(Angaben basieren auf dem Vortrag sowie dem Vortragsmanuskript von Andrea-Mercedes Riegel)

 

Hier finden Sie die Präsentationsfolien des Vortrags: 20210325_CM und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

 

 

 

Chinas digitale „Convenience Society“

Am 12.03.2021 fand in Kooperation mit den Konfuzius-Instituten in München, Düsseldorf und Hamburg ein Online-Vortrag mit Dr. Hannes Jedeck, Sprachbereichskoordinator des Konfuzius-Instituts in Heidelberg, statt. Im Zentrum stand die sogenannte „digitale Convenience Society“ in China, einer Begleiterscheinung der schnellen, digitalen Transformation der chinesischen Kultur und Gesellschaft. Diese bietet ihren Mitgliedern die unterschiedlichsten Dienstleistungen über Smartphone-Apps an und verspricht eine schnelle Verfügbarkeit sowie ein besonders bequemes Verfahren der Abwicklung. So können unterschiedliche Lebensbereiche des Alltags – Konsum, Kommunikation, Mobilität und Finanzierung – möglichst angenehm und bequem bzw. „convenient“ organisiert werden. Doch wie „convenient“ (fangbian 方便) ist die digitalgesteuerte Lebenswelt tatsächlich? Wer profitiert von einer wachsenden Bedeutung von mobiler Datentechnik? Inwieweit ist der chinesische Staat als Steuerungs- und Kontrollorgan beteiligt? Welche Schattenseiten hat eine solche netzabhängige Gesellschaft, die geprägt ist von einer umfassenden digitalen Mobilität? Und schließlich: Welche Aspekte könnten auch für die deutsche Gesellschaft nachahmenswert sein?

 

Diesen Fragen ging Hannes Jedeck während seines 45minütigen Vortrags nach. Er stellte zunächst „Convenience“ als Schlüsselbegriff und Ausgangspunkt seiner Überlegungen vor. So stellt die „digitale Convenience Society“ nicht nur eine praxis- und technikorientierte Gesellschaftsform dar, sondern vor allem auch einen Lebensstil. Konsum und Kommunikation werden zentral über ein handliches System gesteuert, Beziehungen und Netzwerke über Apps und QR-Codes aufgebaut und gepflegt. Anhand der beispielhaften und innovativen Veränderungen innerhalb des Chat-Dienstleistungs-Marktes zeigte Jedeck auf, wie technischer Fortschritt und eine besondere Offenheit der Smartphone-Nutzer*innen gegenüber den neuesten digitalen Entwicklungen den Weg Chinas zu einer Gesellschaft ebnete, die von ebenjener namensgebenden „Convenience“ geprägt ist. Umgekehrt reagierten Unternehmen, App-Entwickler und Start-ups unglaublich schnell auf Veränderungen des „Mind-Sets“ der jungen und auch älteren „Techies“ in China. Diese seien technischen Innovationen grundsätzlich offen gegenüber eingestellt, so Jedeck. Der schnelle Ausbau des Netzes im Zuge der „China 2025“ Informatisierungs- und Industrialisierungsbestrebungen sorgte schließlich für die Grundvoraussetzung einer reibungslosen Rundumversorgung über App-Dienste, wie sie beispielsweise WeChat anbietet, einem Paradebeispiel für eine nutzer*innenorientierte digitale Umsetzung des Convenience-Prinzips.

 

Als negative Faktoren nannte Hannes Jedeck die Schwierigkeit für Nutzer*innen, das digitale Ökosystem wieder zu verlassen, den unausgesprochenen Trade-off zwischen Annehmlichkeiten durch die Anbieter und der reziproken Preisgabe von Daten seitens der Anwender*innen, den Exklusionscharakter durch die notwendige Nutzung von immer wieder zu aktualisierender Hard- und Software sowie die daraus resultierende Verstärkung von Klassenunterschieden. Auch der Staat als Kontrollorgan wurde als politischer Preis der „digitalen Convenience Society“ aufgeführt, der über das Netz Wissen über seine Bürger*innen abschöpfen kann. Schließlich sei auch der ökologische Preis kein geringer, so Hannes Jedeck auf Rückfrage aus dem Publikum. Smartphones bestehen aus seltenen Rohstoffen, die unter schwierigen Arbeitsbedingungen geborgen werden und die nur schwer abbaubar sind. Für die Gewährleistung einer ständigen Verfügbarkeit der angebotenen Dienstleistungen und die für Verarbeitung des stets wachsenden Datenvolumens werden riesige Rechenzentren benötigt, die wiederum viel Energie benötigen. Selbst wenn die deutsche Gesellschaft vom Innovationsgeist chinesischer App-Entwickler*innen lernen kann und der technische Fortschritt in Krisensituationen wie z.B. unter Pandemiebedingungen durchaus von Nutzen für eine Gesellschaft im Lockdown ist, so scheint der Preis der „digitalen Convenience Society“ in Zeiten des Klimawandels und des zunehmend gläsernen Netizens doch ein sehr hoher, vielleicht sogar zu hoher zu sein.

Eine Aufzeichnung des Vortrags finden Sie hier.

Über den Referenten:

Dr. Hannes Jedeck versteht sich als Vermittler, Übersetzer und Dekodierer der chinesischen Gesellschaft und Kultur in verschiedenen Kontexten. Er ist Koordinator des Sprachprogramms des Konfuzius-Instituts an der Universität Heidelberg und Gründer der „Initiative für den bundesweiten Aufbau von Chinakompetenz“ (IBAC) mit dem Ziel, ein Netzwerk aus Chinaexperten aufzubauen und über aktuelle Themen mit Chinabezug in Deutschland zu informieren. Auf dem Blog „China.Digital“ berichtet er über seine Erfahrungen zum Thema Digitalisierung im Reich der Mitte. Während der Zeit seiner Dissertation an der Exzellenzuniversität Bonn war er Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes.

ChinaCool: Als Au-Pair in China

Am 11. März 2021 fand wieder einmal eine Online-Ausgabe unserer Reihe „ChinaCool“ statt. Dieses Mal begrüßten wir Elisabeth Dux als Referentin. Sie promoviert in Rechtsgeschichte an der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg und war vor ihrem Studium ein Jahr als Au-Pair in Guangzhou in China tätig. Ihre Erfahrungen, die sie in diesem Jahr gemacht hat, waren das Thema ihres Vortrags.

Bevor man als Au-Pair nach China kann bedarf es natürlich an viel Vorbereitung. Zuerst muss man eine Agentur finden, welche überhaupt Au-Pairs nach China vermittelt, da China hier eher nicht das typische Zielland für eine Au-Pair-Tätigkeit ist. Dazu kommen noch Workshops zur Vorbereitung, bei Elisabeths Agentur waren diese in Hamburg. Auch ein Online-Kennenlernen mit der potentiellen Gastfamilie gehört dazu. Sobald dann auch noch das Visum und der Flug geklärt waren, ging es endlich nach China.

Am Ende landete Elisabeth bei einer recht wohlhabenden Familie in Guangzhou mit insgesamt drei Kindern. Ihre Hauptaufgabe war es, mit diesen Englisch und Französisch zu üben. Untergebracht war sie für diese Zeit in der Gated Community ihrer Gastfamilie, allerdings nicht direkt in deren Wohnung. Ihr Alltag war sehr abwechslungsreich. Oft hat sie mit den Kindern gespielt oder Bücher gelesen, manchmal auch ihre Gastmutter zum Einkaufen begleitet.

Neben ihren Aufgaben bei der Gastfamilie wurden auch Aktivitäten von der in Guangzhou für sie zuständigen Au-Pair-Agentur organisiert. Dort besuchte Elisabeth mit den anderen Au-Pairs einen Sprachkurs. Daneben gab es auch noch Ausflüge oder kleinere Events wie etwa gemeinsames Kochen.

Ausflüge machte Elisabeth auch mit ihrer Gastfamilie, die sie auch auf Reisen begleiten durfte. So hatte sie die Gelegenheit, viele Orte in China kennenzulernen. Beispielsweise waren sie manchmal im Geburtsort ihrer Gastfamilie, wo die ländliche Umgebung einen starken Kontrast zum Alltag in der Metropole bot. Auch ein Skiurlaub im Norden Chinas war eine besondere Erfahrung. Eine der Reisen brachte sie sogar zurück nach Europa: nach Frankreich!

Insgesamt fand Elisabeth ihre Erfahrung als Au-Pair in China sehr schön. Kulturschock und Heimweh blieben zwar nicht aus, aber es war doch eine einmalige Gelegenheit zum Kennenlernen Chinas und seiner Kultur. Ihre Erfahrungen lehrten sie außerdem Toleranz und Durchhaltevermögen.

Online-Podiumsgespräch China-USA-Europa

China – USA – Europa: Szenarien der Dreiecksbeziehung

Unter Präsident Trump haben sich die Beziehungen zwischen China und den USA deutlich verschlechtert. US-amerikanische Fachleute für internationale Beziehungen haben einen wachsenden Konflikt zwischen beiden Ländern bereits vor einem Jahrzehnt vorausgesagt. Wird nun unter Biden alles anders oder wird der neue Präsident die Politik der Eindämmung Chinas noch verschärfen? Werden die Europäer eine Politik der Äquidistanz zwischen China und den USA anstreben oder ein gemeinsames Vorgehen mit den USA gegen China? Wie hat sich die chinesische Außenpolitik als Reaktion darauf verändert? Und wie wird dieser Konflikt in China diskutiert?

Thomas Heberer und Sebastian Harnisch beleuchten im Gespräch diese Fragen und versuchen Szenarien im Hinblick auf das künftige Beziehungsgefüge zwischen China, den USA und der EU zu benennen.

Podiumsgespräch mit Seniorprofessor Dr. Thomas Heberer (Universität Duisburg-Essen) und Prof. Dr. Sebastian Harnisch (Universität Heidelberg)

Moderation: Marina Rudyak, Akademische Mitarbeiterin am CATS der Universität Heidelberg

Der Vortrag findet online statt. Eine vorherige Anmeldung ist nicht nötig! Um teilzunehmen, klicken Sie bitte hier (Beginn: 18.00 Uhr):

Thomas Heberer ist Seniorprofessor für Politik und Gesellschaft Chinas an der Universität Duisburg-Essen. Er beschäftigt sich seit über 50 Jahren mit China,  hat viele Jahre in China gelebt und gearbeitet. Seit den frühen 1980er Jahren führt er auf jährlicher Basis Feldforschung zu verschiedenen Themen und in verschiedenen Regionen durch. Er hat mehr als 60 Bücher und Hunderte von Aufsätzen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften und Buchpublikationen veröffentlicht. Er war Berater der Europäischen Kommission in Sachen China und hat Bundes- und Ministerpräsidenten beratend nach China begleitet. Zudem ist er Mitglied des Redaktionsausschusses zahlreicher internationaler Fachzeitschriften und Buchreihen. Er ist zugleich Ko-Direktor des Konfuzius-Instituts Metropole Ruhr an der Universität Duisburg-Essen.

Sebastian Harnisch ist Professor für Internationale Beziehungen und Außenpolitik an der Universität Heidelberg sowie Stellvertretender Direktor des Heidelberg Center for the Environment (HCE). Seine Forschungsprojekte und Publikationen umfassen die Bereiche Vergleichende Außen- und Sicherheitspolitik, Theorien der Internationalen Beziehungen, Nonproliferation, Netzpolitik und Klimawandel. Zu seinen jüngsten Publikationen zählen „China’s International Roles“, New York & London 2016; „Sonderbeziehungen als Nexus zwischen Außenpolitik und internationalen Beziehungen”, Baden-Baden 2015; “Deutsche Außenpolitik und internationale Führung: Ressourcen, Praktiken und Politiken in einer veränderten Europäischen Union”, Baden-Baden 2014


Marina Rudyak ist Sinologin und an der Schnittstelle zwischen Chinawissenschaften und internationaler Entwicklungszusammenarbeit tätig. Sie ist Postdoc am Centrum für Asienwissenschaften und Transkulturelle Studien (CATS) der Universität Heidelberg. Ihre im April 2020 abgeschlossene Dissertation beschäftigt sich mit der Formierung der chinesischen Entwicklungshilfepolitik und Chinas Rolle als globaler Entwicklungsakteur. Neben ihrer akademischen Tätigkeit leistet sie wissenschaftliche Politikberatung für Entwicklungsorganisationen und NGOs zu Fragen von Chinas internationaler Entwicklungspolitik.

Elisabeth Bach, Gründungsmitglied der China Initiative Heidelberg, e.V., war nach ihrer Promotion in Romanistik und Germanistik jahrelang für die Studienvorbereitung von ausländischen Studierenden an der Fachhochschule Kaiserslautern zuständig. Von 2003 bis 2015 war sie Leiterin eines Kooperationsprojekts der Hochschule Kaiserslautern mit der Shanghai Dianji University. Dazu hielt sie sich mehrfach über längere Phasen von bis zu einem Jahr in Shanghai auf. Elisabeth Bach ist seit 1975 regemäßig in China unterwegs.

Vortrag in Kooperation mit der China Initiative Heidelberg e.V.