Sinologie in den Beruf

Bericht von Anna Schiller, SHAN-Newsletter Nr. 82 Mai 2015

“Und was macht man dann damit?”: Sinologie in den Beruf mit Petra Thiel

Termin: Mittwoch, 22. April 2015
Ort: Konfuzius-Institut Heidelberg, Speyerer Str. 6, 69115 Heidelberg
Petra Thiel (l.) mit Mariana Münning

„Und was macht man dann damit?” Eine Frage, die wohl schon die meisten Sinologiestudenten einem ungläubig dreinschauenden Verwandten beantworten mussten. Um den skeptischen Blicken beim nächsten Familientreffen etwas entgegensetzen zu können, organisiert das Team Unternehmenskontakte von SHAN e. V. Im Rahmen der Reihe „Sinologie in den Beruf“ regelmäßig Vorträge bei denen Absolventen der Heidelberger Sinologie über ihren beruflichen Werdegang sprechen. Zuletzt zeigte Petra Thiel, geschäftsführende Direktorin des Konfuzius Instituts an der Universität Heidelberg, dass ein Sinologiestudium die Basis für eine erfolgreiche Karriere sein kann.

Als länderspezifische Kultureinrichtung zählt die Vermittlung der chinesischen Sprache und Kultur zu den Hauptaufgaben des Konfuzius-Instituts, das mit Mitteln des chinesischen Bildungsministeriums gefördert wird. In Heidelberg arbeitet das Institut, das als Verein organisiert ist, eng mit der Stadt und der lokalen Wirtschaft zusammen, schließlich bilden Chinesen in der Neckarstadt die größte Migrantengruppe. Petra Thiels Aufgabengebiet lässt sich in den Bereich des Wissenschaftsmanagements einordnen. Als Direktorin gestaltet sie die Programme,  ihr obliegt die Personalführung und Organisation von Gremiensitzungen, die Finanzierung und Einwerbung von Drittmitteln, kurzum: Petra Thiel sorgt für einen reibungslosen Ablauf auf allen Ebenen des Konfuzius-Instituts.

Neben ihrer Arbeit als geschäftsführende Direktorin promoviert Petra Thiel zurzeit am Heidelberger Institut für Sinologie. Zur Sinologie kam sie allerdings über Umwege: Nach ihrem Abitur machte sie zunächst eine Ausbildung zur Industriekauffrau. „Meine Ausbildung sehe ich heute als Vorteil. Ich habe gelernt, wie ein Betrieb funktioniert und wie ein normaler Arbeitsalltag abläuft. Außerdem konnte ich dabei schon erste Kontakte nach Asien knüpfen“, so die Sinologin. Während ihres Studiums in Heidelberg arbeitete Petra Thiel als wissenschaftliche Hilfskraft in der Bibliothek des Instituts für Sinologie und als Urlaubsvertretung in mittelständischen Unternehmen. „Hiwi-Stellen sind nicht zu unterschätzen. Man erhält einen Einblick in den Forschungsbetrieb und lernt Professoren und Mitarbeiter des Instituts kennen. Kontakte sind eine wichtige Komponente. Networking – sowohl regional als auch international –  ist daher ein enorm wichtiger Punkt“, erläuterte die Alumna die Bedeutung von außeruniversitären Kenntnissen schon während des Grundstudiums.

Im Rahmen ihrer Promotion konnte Petra Thiel lernen, Drittmittelanträge zu formulieren, Projekte selbstständig zu leiten und auf internationalen Konferenzen vor vielen Zuhörern Vorträge zu halten. „Ich kann ihnen nur raten, während des Studiums die Augen offen zu halten und sich selbst auszuprobieren. Durch Konferenzen und Austauschprogramme bieten sich viele Möglichkeiten, auch außerhalb Heidelbergs.“ Auch von den Sprachkenntnissen, die Petra Thiel während ihres Sinologiestudiums erworben hat, profitiert sie bei ihrer Arbeit im Konfuzius-Institut: Mit ihren Kollegen kommuniziert sie täglich auf Chinesisch, Englisch und Deutsch und Anträge muss sie häufig in kürzester Zeit in mehreren Sprachen verfassen.

Neu waren für die Sinologin bei ihrem Berufseinstieg allerdings Themen wie Didaktik, Personalführung oder Vereins-, Steuer- und Arbeitsrecht. In mehreren Fortbildungen erarbeitete sie sich das nötige Wissen auf diesen Gebieten. Auf gewisse Weise half ihr jedoch auch hier ihr Studium. „Während des Sinologiestudiums muss man eine Art Kaltschnäuzigkeit entwickeln und sich selbst sagen: ‚Ich mache das jetzt einfach, irgendwie wird es schon klappen.’ Vieles muss man sich einfach zutrauen, auch wenn man vielleicht denkt, dass man der Stellenausschreibung nicht vollständig entspricht,“ machte die Direktorin des Konfuzius-Instituts den anwesenden Studenten Mut. So hätte Petra Thiels Vortrag sicherlich auch den kritischsten Verwandten davon überzeugt, dass nach einem Sinologiestudium eine erfolgreiche Karriere im Wissenschaftsmanagement warten kann.

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SHAN e. V. wurde im Mai 2006 als Netzwerk für Studierende und Absolventen des Instituts für Sinologie der Universität Heidelberg von Studierenden gegründet. Die aktiven Mitglieder des Vereins organisieren sich in Teams mit den Themengebieten Öffentlichkeitsarbeit, Unternehmenskontakte, Alumni und Schulen.

Die Verfassungsbewegung zu Ende der Qing-Dynastie

Die Verfassungsbewegung zu Ende der Qing-Dynastie

Vortragsreihe Sinology goes public
Termin: Dienstag, 14. April 2015
Uhrzeit: 18.00 Uhr
Ort: Konfuzius-Institut Heidelberg
Speyerer Straße 6, 69115 Heidelberg
Eintritt: frei

Egas Moniz-Bandeira führte mit seinem Vortrag zu der Verfassungsbewegung zu Ende der Qing-Dynastie in ein wenig bekanntes Forschungsfeld ein. Die Xinhai-Revolution von 1911 wird in der allgemeinen Wahrnehmung als Bruch mit dem rückständigen Kaiserreich und Notwendigkeit für Chinas fortschrittliche Entwicklung betrachtet. Doch in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts war auch das Kaierreich unter Führung der Kaiserinwitwe Cixi bemüht gewesen, das politische System des Kaiserreichs zu modernisieren. Trotz umfangreicher Gesetzessammlungen kannte man in China lange keine Verfassung. Das Konzept erhielt über Übersetzungen ausländischer Schriften erst im 19. Jahrhundert Einzug. Prägend für das Interesse an einer Verfassung war für China das Vorbild Japan: Japan war seit 1890 eine konstitutionelle Monarchie. Dies wurde als Grund für Japans unerwartete Siege im sino-japanischen Krieg 1894/95 und im japanisch-russischen Krieg 1904/05 betrachtet. So fiel der Beschluss langfristig ebenfalls eine Verfassung im Qing-Reich einzuführen, die eine gewisse politische Teilhabe der Bürger und eine Gewaltenteilung vorsah. Beratungskommissionen zogen in Europa und dem USA Erkundungen ein, Konzepte wurden diskutiert und 1908 erstmals „Richtlinien der Verfassung“ veröffentlicht. Zwar enthielt dieser Entwurf bereits ein Parlament und sah vor, dass Gesetze dem Parlament vorgelegt werden müssten, doch ähnelte er stark an das japanische Vorbild mit einem unantastbaren Kaiser und wurde als zu konservativ kritisiert. Nichtdestotrotz fanden im folgenden Jahr die ersten Parlamentswahlen fanden statt, von der jedoch die Mehrheit der Bevölkerung ausgeschlossen blieb. Ein Kabinett mit 13 Mitgliedern wurde gebildet, davon wurden allerdings ganze neun Sitze mit Mandschuren besetzt. Dies führte zu heftigen Protesten und Aufständen im ganzen Land. Die Regierung verlor die Kontrolle über große Teile Südchinas. Unter diesem Druck stimmte der Kaiser dem Plan zu einer neuen Verfassung nach englischem Vorbild zu und gab damit viele seiner Privilegien auf. Doch die Xinhai-Revolution setzte kurz darauf allen Bemühungen der Qing ein Ende.

Egas Moniz-Bandeira betonte, die Offenheit der Qing zu Reformen und die Bereitschaft des Kaisers selbst seine Machtbefugnisse zu beschränkten markierten einen bedeutenden Schritt. Motiviert hatte ihn dazu vermutlich das Bestreben nach Legitimierung im Inland und internationaler Anerkennung. In seiner Dissertation erforscht er insbesondere die einflussnehmenden Gruppierungen am Hof um Cixi und den Diskurs um die Inhalte der Verfassung.

Egas Moniz-Bandeira, ass. iur., studierte Rechtswissenschaften und Sinologie in Heidelberg. Er ist Doktorand am Institut für Sinologie und Stipendiat des Exzellenzclusters „Asien und Europa im globalen Kontext: die Dynamik der Transkulturalität“ der Universität Heidelberg (Forschungsgruppe MC5 „Towards a Global History of Concepts“). Seine Dissertation beschäftigt sich mit den Ursprüngen des Verfassungsbegriffs in China.