Vortrag: „50 Jahre Mao-Bibel: Ursprünge, Inhalte und (globaler) Einfluss“
Am Donnerstag, den 20. September 2018, begrüßte das Konfuzius-Institut Heidelberg zusammen mit dem Völkerkundemuseum Heidelberg den Sinologen Daniel Leese (Universität Freiburg) im Zuge der Vortragsreihe „Facetten des Erinnerns: 1968 Global – China und die Welt“. Leese schrieb seine Dissertation über den Mao-Kult und untersucht mittlerweile die globale Auswirkung desselben. Der Titel seines Vortrages lautete dazu passend: „50 Jahre Mao-Bibel: Ursprünge, Inhalte und (globaler) Einfluss“.
Die 1964 in der Volksrepublik China erschienene Zitatsammlung des Vorsitzenden Mao Zedong, bei der es sich anfangs nur um eine interne Militärausgabe handelte, wurde wenig später als „das kleine rote Buch“ oder „die Mao-Bibel“ bekannt. Mit 1,1 Milliarden allein in China produzierten Exemplaren und Übersetzungen in 37 Sprachen (die deutsche Übersetzung erschien 1967) handelt es sich um eines der meist verkauften Bücher der Welt. Im Vorwort findet sich bereits der Zweck dieses Buches: Marx, Lenin, Engels und Stalin hätten zu viel geschrieben, während die Worte Maos die Kernpunkte des Kommunismus und Sozialismus auf das Wesentliche zusammenfassten und damit für ein Selbststudium ausreichten.
Der anfängliche Erfolg des Buches ist vor allem mit der massiven Produktion zu erklären: ab 1966 wurde im großen Stil in den Druck investiert, sodass etwa 2 bis 3 Jahre kaum andere Druckerzeugnisse auf den Markt kamen; teilweise wurde sogar der Druck von Zeitungen und Schulbüchern aufgrund fehlender Kapazitäten gestoppt. Auch ins Ausland exportierte die politische Führung in Peking das „kleine rote Buch“, größtenteils als Geschenk an interessierte Studenten zum Beispiel auch der 68er Bewegung in Deutschland. Interessant ist dabei, dass die Bücher teilweise nicht den gleichen Inhalt aufweisen. Mal findet man Gedichtsammlungen Maos, dann wieder Zitate oder Aufsätze. In der bekanntesten Ausgabe allerdings geht es vor allem um 3 Themen: 1. Woher kommt der Revisionismus, der unter anderem zum Scheitern der UdSSR geführt hat 2. Das Verhältnis von Rebellion und Gewalt 3. Maos Gesellschaftsentwurf, der vorsieht, dass Ideen und Lektionen aus der Praxis statt aus der Theorie gezogen werden.
1968 begann man, den Mao-Kult zurückzufahren. 1969 wurden etwa 100 Millionen Exemplare der „Mao-Bibel“ eingestampft. Heutzutage ist das „kleine rote Buch“ nur noch als Raubkopie oder unter der Hand in der Volksrepublik China erhältlich. Der globale Erfolg bleibt jedoch weiter bestehen, was sich Prof. Leese damit erklärt, dass man sich je nach Situation die passenden Zitate auswählen kann, um seine eigene Meinung zu unterstützten. Bis heute werden Mao-Bibeln von Gruppierungen beispielsweise im Kongo, in Peru oder in Nepal verwendet.
Abschließend wies Prof. Leese auf die in den letzten Jahren erschienenen Zitate-Sammlungen des aktuellen Staatspräsidenten Xi Jinping hin. Diese erinnern in ihrer Konzeption und Aufmachung stark an die „Mao-Bibel“. Daher kommt er zu dem Fazit, dass das „kleine rote Buch“ bis heute eine Rolle in Gesellschaft und Politik spielt.
Hier finden Sie die Veranstaltungsankündigung und eine ausführliche Biographie von Prof. Leese.