Vortrag: “La Chinoise. Maoismus als Projektionsfläche”
Am 26. September 2018 begrüßte das Konfuzius-Institut in Kooperation mit dem Völkerkundemuseum Heidelberg den 3. Dozenten unserer aktuellen Vortragsreihe „Facetten des Erinnerns: 1968 Global – China und die Welt“ , Herrn Professor Claus Leggewie, Professor für Politikwissenschaft und Inhaber der Ludwig-Börne-Professur an der Universität Gießen. Dessen Publikationen umfassen mehrere Artikel zur Jugendrevolte der 60er Jahre, die er auch zum Thema seines Vortrags „La Chinoise. Maoismus als Projektionsfläche“ machte.
Der sich selbst als „Spät-68er“ bezeichnende Professor Leggewie widmete seinem Vortrag der Frage, warum sich Linke beispielsweise in Italien, Frankreich oder Deutschland frisch vom russischen Entwurf des Sozialismus abgewandt dem chinesischen Entwurf unter Mao zuwandten, der doch gerade in dieser Zeit der sog. „Großen Proletarischen Kulturrevolution“ zahlreiche Opfer forderte.
Hierfür nennt er mehrere Gründe. Zum einen sei das imaginäre China ein anderes als das tatsächliche gewesen. Von den „realen Verhältnissen“ bekam man in Europa – und eben auch in Frankreich – kaum etwas mit. Nur wenige Auserwählte bekamen die Gelegenheit, Studienreisen in die Volksrepublik China zu unternehmen, wo ihnen – von Kadern geführt –ausgewählte Sehenswürdigkeiten und sonst vor allem allerlei „Vorzüge“ des kommunistischen Systems präsentiert wurden. Es scheint daher wenig verwunderlich, dass China im Ausland oft als eine Art kommunistisches Utopia herhalten musste, was sich in den Bereichen des Feminismus, der Philosophie und Politikwissenschaft etc. niederschlug. Des Weiteren diente Maos Gesellschaftsentwurf in Frankreich als Rechtfertigung für eine Umwälzung des Status Quo, was vor allem die Jugend begeisterte. Mit Maos Schriften „ideologisch abgesichert“, konnte man das Verlassen der angeblich bürgerlichen Universität zugunsten eines Umzugs auf das Land oder eines „Forschungsaufenthaltes“ in einer „proletarischen“ Fabrik begründen. Was allerdings den attraktivsten Grund für eine Hinwendung zum sog. „Maoismus“ aus Sicht der führenden sozialistischen Akteure darstellte war die Abkehr vom totalen Antiautoritarismus der 68er-Bewegung mit ihrem Drogenkonsum, der propagierten freien Liebe und der als solche empfundenen Anarchie. Mao und vor allem die Mao-Bibel wurden als Grundlage herangezogen, um wieder Struktur und Ordnung in die chaotische Studentenbewegung zu bringen: „Hätte es die Kulturrevolution in China nicht gegeben, so wäre sie in Frankreich erfunden worden.“
In der folgenden Diskussionsrunde beantwortete Herr Prof. Leggewie bereitwillig Fragen zu seiner eigenen Vergangenheit als Mitglied der Studentenbewegung und äußerte sich teilweise ironisch-amüsant über sein jüngeres Ich.
Hier finden Sie die Veranstaltungsankündigung mit einer ausführlicheren Biographie Professor Leggewies.