Vortrag: “Das maoistische China als Teil von Revolutionszyklen der ‚3. Welt‘“
Am Mittwoch, den 24. Oktober 2018 fand sich der in Köln lehrende Sinologe Herr Prof. Felix Wemheuer im Völkerkundemuseum Heidelberg ein, um im Zuge der Film- und Vortragsreihe „Facetten des Erinnerns: 1968 Global – China und die Welt“ zur gleichnamigen Ausstellung den Horizont der Zuhörerschaft zu erweitern. Der Dozierende, der unter anderem in Harvard studierte und vor allem „oral history“ (Geschichtsforschung durch Interviews mit Zeitzeugen) betreibt, stellte mit seinem Vortrag „Das maoistische China als Teil von Revolutionszyklen der ‚3. Welt‘“ die Geschehnisse in China um 1968 aus einer globalen Perspektive vor.
Zu Beginn seines Vortrages führte Herr Prof. Wemheuer den Begriff „Revolutionszyklus“ ein, der das Phänomen beschreibt, dass zur gleichen Zeit bzw. in kurzen Zeitabständen aufeinanderfolgend Revolutionen mit etwa dem selben Gedankengut in vielen verschiedenen Ländern der Welt ausbrachen. Dabei gehe es im 20. Jahrhundert laut ihm vor allem um „periphere Revolutionen“, d.h. solche, die im globalen Süden stattfanden. Das Gedankengut stamme zwar eher aus Europa, allerdings seien Revolutionen vormals in der sog. „dritten Welt“ von Erfolg gekrönt gewesen. Ein solcher Revolutionszyklus habe nach dem Ende des 2. Weltkrieges 1945 seinen Anfang genommen, und sich von Asien über Lateinamerika bis nach Afrika erstreckt. Vorbild hierfür wurde die 1949 neu gegründete Volksrepublik China.
Im Gegensatz zu Marx oder Lenin führte die KPCh weniger einen Klassenkampf, als einen Kampf gegen Aggression von außen (bsp. gegen die japanische Besatzungsmacht im 2. Weltkrieg). Dieses Konzept ließ sich hervorragend von dem an einer Weltrevolution interessierten Vorsitzenden Mao Zedong in andere Länder exportieren, zumal seine Lehren (die sog. Mao-Zedong-Ideen) nicht auf die Arbeiterschicht (siehe Marx), sondern auf Bauern abzielten. Eine solche Ideologie erwies sich als äußerst attraktiv für die unfreiwillig in den Kalten Krieg zwischen der UdSSR und den USA hereingezogenen dritte-Welt-Staaten. Das kommunistische China wurde zum Sinnbild der Autarkie und der erfolgreichen Befreiung von den global vorherrschenden Mächten. Und so studierten Asiaten, Afrikaner und Lateinamerikaner nicht nur die sog. „Mao-Bibel“, sondern reisten auch in die Volksrepublik, um von Chinesen ausgebildet zu werden. Mao Zedong verstand die Situation für sich zu nutzen und stilisierte sich unter anderem als Freund der „farbigen Völker“, sodass er hinterher sogar zur Ikone der Bürgerrechtsbewegung in den USA wurde. Der Mythos von der ideologischen Überlegenheit gegenüber den traditionellen Großmächten fand sich in dem Satz wieder: „Die Mao-Zedong-Ideen sind als geistige Atombombe mächtiger als die echte.“ Ebenso unterstütze die VRCh einige der Länder finanziell.
Doch der Einfluss Chinas hatte Grenzen. So ging es vielen Staaten vor allem um den Anti-Imperialismus, aber nicht um die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft. Und als sich China in den 1970er Jahren der Großmacht USA annäherte und sich die inneren Machtkämpfe der KPCh häuften, wandten sich viele Nationen enttäuscht ab oder wurden misstrauisch gegenüber chinesischer Einflussnahme. Was bleibt, sind die „Mao-Bibeln“ in Besitz der 68er Generation in Deutschland, die sich damals euphorisch China zugewandt hatte, da sie das Gefühl hatte, als Teil einer globalen Bewegung eine große gesellschaftliche Veränderung ins Rollen zu bringen.
Im Anschluss an den Vortrag wurde im Karlstorkino der Film „Viva Maria“ von Louis Malle (1965) gezeigt.
Hier finden Sie die Veranstaltungsankündigung mit einer ausführlicheren Biographie Professor Wemheuers.