Finissage-Doppelkonzert: “Wie ein Stein im Meer verschwinden…”

Das Finissage-Doppelkonzert wurde in der Rhein-Neckar Zeitung besprochen, die Kritik wiederum löste eine Reihe von Reaktionen aus, die Sie hier einsehen können.

Finissage und Doppelkonzert im Völkerkundemuseum und in der Alten Aula

Am 10. November 2018 fand um 18:00 Uhr im Völkerkundemuseum die Finissage der Ausstellung “Facetten des Erinnerns. 1968 Global – China und die Welt” statt. Zahlreiche Gäste nutzten die Gelegenheit, um ein (vor-)letztes Mal von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, sich die Ausstellung anzusehen. Die beiden Künstler Ni Shaofeng und Deng Huaidong setzen sich darin auseinander mit ihren (Erinnerungs-)Bildern aus der Zeit der Großen Proletarischen Kulturrevolution in China, einem Ereignis, das in der globalen 68er Bewegung vielfältige Resonanzen fand. Nach Festreden und Danksagungen der Museumsdirektorin Margareta Pavaloi, des Künstlers Ni Shaofeng und der Sinologieprofessorin Barbara Mittler führte Marc Reichow am Flügel des Großen Saals im Museum Yuji Takahashis Klavierstücke Three Poems of Mao Tse-tong aus dem Jahr 1975 auf, die mit ihren feinen Klangfarbenwechseln und rhythmischen Nuancen einen bewegenden, klingenden Kommentar zur Zeit der Kulturrevolution darstellten.

Das “Finissage-Doppelkonzert” wurde feierlich fortgesetzt in der Alten Aula der Universität Heidelberg, wo ein exzeptionelles Programm zeitgenössischer Musik, gespielt vom Ensemble aisthesis, der SCHOLA HEIDELBERG und dem SWR Experimentalstudio unter der Leitung Walter Nußbaums, zu hören war. Aus der Stille heraus eröffneten zwei Sängerinnen des Ensembles das Konzert mit Georg Friedrich Haas` Schweigen. Technisch und klanglich fein abgestimmt führten ihre Klanglinien immer wieder auseinander, trafen sich in harmonischen und disharmonischen Zusammenklängen, rutschen ab, verschoben sich und drifteten wieder auseinander, einem versteckten, organischen Konzept folgend. Wild wurde es, als später der Pianist Marc Reichow mit Barbara Mittler eine Vorführung über eine Zeile von Revolution Number One der Beatles zum Besten gab, und das Konzert so gar zu einer musikalisch-schauspielerischen Performance erweitert wurde.

Aber auch die politische Dimension des Anlasses und der Ausstellung wurde keinesfalls ignoriert. Dies zeigten neben den genannten Stücken die Aufführungen von Mao Tse-Tung — aus „Voices and Piano“ für Klavier und Zuspiel, in dem Fragmente von Mao-Reden zerstückelt und semantisch entleert vom Klavier kommentiert und begleitet wurden sowie Aureliano Cattaneos Sasso nell’ Oceano (2017), “wie ein Stein im Ozean verschwinden…”. Darin nimmt der Komponist Worte des Schriftstellers und Philosophen Antonio Gramsci (1891-1937) auf, der sich in seinen Gefängnisbriefen Gedanken darüber macht, wie er mit seinem Schicksal, seinem Wunsch nach Revolution umgehen soll, wo er nicht auch noch andere in Gefahr bringen will. Mit den wilden, tiefgehenden, bisweilen verstörenden Klängen endete das Konzert und ließ die Zuhörer mit verschiedenen Gedanken den Heimweg antreten, die noch einige Zeit nachwirken sollten.

Das umfangreiche Programmheft wurde speziell für diesen Abend konzipiert und gedruckt.