Chinas Entwicklungshilfe – eine Herausforderung für den Westen?

Chinas Entwicklungshilfe – eine Herausforderung für den Westen?

Vortrag von Marina Rudyak

Termin: Mitwoch, 02. Juli 2014
Uhrzeit: 18.00 Uhr
Ort: Konfuzius-Institut Heidelberg, Speyerer Str. 6, 69115
Eintritt: frei

Marina Rudyak gab in ihrem Vortrag einen umfassenden Überblick über die chinesische Entwicklungshilfe und die internationale Kritik daran. Festzuhalten ist, dass die deutschen Medien erst in den 2000ern auf die chinesische Entwicklungshilfe aufmerksam wurden, nämlich dann, als vermehrt über Chinas Engagement in Afrika berichtet wurde. Das Engagement Chinas in Afrika wurde vom Westen meist äußerst kritisch gesehen und ging fast immer mit dem Vorwurf einher, dass China nur an der Ausbeutung von Rohstoffen interessiert sei. Kaum Erwähnung jedoch findet und fand, dass es die chinesische Entwicklungshilfe schon seit den 1950ern gab und nicht einmal in der Kulturrevolution unterbrochen wurde. Die Grundlagen für die  heutige chinesische Entwicklungshilfe bilden noch heute die „Acht Prinzipien für wirtschaftliche und technische Entwicklungshilfe im Ausland von 1964, welche Gleichberechtigung, gegenseitige Hilfe und den Respekt der gegenseitigen Souveränität vorsehen.

Aus diesem Verständnis heraus agiert China auch heute in Afrika, indem es die Einmischung in innere Angelegenheiten, wie es westliche Geber mit Forderungen nach demokratische Strukturen und Good Governance tun, ablehnt. Chinas Hilfe versteht sich nicht als Geber-Nehmer-Verhältnis, sondern als Zusammenarbeit zweier Entwicklungsländer, von der beide Seiten profitieren. Daher wird mehr auf Handel und Direktinvestitionen gesetzt als auf klassische Hilfsprojekte. China greift damit auch auf seine eignen Erfahrungen zurück, da China in den 1950er Jahren mit Japans Wirtschaftshilfe große Fortschritte erzielen konnte.

Rudyak zeigte aber auch, dass sich Chinas Entwicklungshilfe nicht allein auf Afrika beschränkt, sondern weltweit stattfindet. In Asien engagiert sich China genauso stark wie in Afrika. Darüber berichten die westlichen Medien allerdings kaum. Auch der Vorwurf der gezielten Hilfe in rohstoffreichen Ländern sei nicht haltbar, da sich Chinas Hilfe relativ gleichmäßig verteile, wie wissenschaftliche Studien gezeigt hätten. In Afrika selbst lobe man China, da es anders als westliche Geber nicht wie ehemalige Kolonialherren auftrete, sondern den Ländern auf Augenhöhe begegne. Rohstoffausbeutung erfolge in der Regel nicht über Entwicklungshilfe, sondern über Jointventures. Nicht vergessen werden sollte auch, dass westliche Geber bereits in großem Maß selbst die Ausbeutung von Rohstoffen in Entwicklungsländern betrieben hätten. Während sich westliche Entwicklungshilfe an vielen Orten zurückzieht, springt China an diesen Stellen ein und leistet wichtige Hilfe.

International ist China vor allem in die Kritik geraten, weil es sich weigert, die Richtlinien des OECD Development Assistance Committee (DAC) zu erfüllen. China verweist hier auf seinen Status als Entwicklungsland, bemüht sich aber, den Richtlinien nahe zu kommen. Ein großes Problem der chinesischen Entwicklungshilfe stellt die mangelnde Transparenz dar. Die Intransparenz entsteht vor allem durch die Verwicklung verschiedener Ministerien und Abteilungen, teilweise auf Landes- und Provinzebene, die jeweils eigene Projekte durchführen. China erwägt daher, dem deutschen Beispiel zu folgen und eine Agentur für Entwicklungshilfe zur Koordination einzusetzen.

Rudyak sieht Chinas Entwicklungsarbeit vor allem als Chance: Da China es im eigenen Land geschafft hat 600 Millionen Menschen aus der absoluten Armut zu bringen, kann es bei der Armutsbekämpfung auf seine eigenen Erfahrungen zurückgreifen. Die Konzepte westlicher Entwicklungshilfe orientieren sich vor allem an den dortigen Verhältnissen, die jedoch schwer auf Länder ohne Industrialisierungsgeschichte übertragbar sind. Westliche Geber verfügen jedoch ebenso über wertvolle Erfahrungen bei ihrer Entwicklungshilfe. Gemeinschaftprojekte könnten diese Erfahrungen zusammenbringen und die Methoden der Entwicklungshilfe verbessern.

Marina Rudyak ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sinologie der Universität Heidelberg und promoviert zu Chinas Rolle als neuer Geber in der internationalen Entwicklungs­zusammenarbeit. Nach dem Studium der Sinologie und des öffentlichen Rechts in Heidelberg war sie mehrere Jahre als wirtschaftspolitische Beraterin für die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Peking tätig, bevor sie vor kurzem wieder an die Universität zurückkehrte. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen die wirtschaftspolitische Entwicklung Chinas, Chinas Rolle in der regionalen Integration in Asien und chinesische Entwicklungshilfe.