Vortrag: Ästhetik und Ökologie – Eine neue Ära

Ästhetik und Ökologie – Eine neue Ära
Deutsch-chinesische Perspektiven im Spannungsfeld von Kultur und Natur

VORTRAG VON PROF. CHENG XIANGZHAN UND DR. WASSILI LEPANTO

Termin: Donnerstag, 22. Juni 2017
Uhrzeit: 17:30 – 20:00 Uhr
Ort: Rathaus Heidelberg, Großer Rathaussaal, Marktplatz 10, 69117 Heidelberg
Eintritt: frei

Kann man wissen, ob ein Fisch Freude empfindet? Diese Frage aus einer Erzählung des chinesischen Philosophen Zhuangzi kann man wissenschaftlich wohl nur schwer beantworten. Doch für den Professor Xiangzhan Cheng hat sie Symbolkraft. Nur weil man von anderen Lebewesen nicht weiß, was sie denken und fühlen, solle der Mensch seine Umwelt dennoch als gleichberechtigten Partner wahrnehmen und für sie Verantwortung übernehmen.Fünf Tage verbrachte der chinesische Ästhetik-Professor Xiangzhan Cheng auf Einladung des Konfuzius-Instituts an der Universität Heidelberg in Deutschland, um mit dem Heidelberger Künstler Wassili Lepanto einen interkulturellen Dialog über Ökoästhetik zu führen. Es handelt sich bei dem Besuch um ein Anschlussprojekt an den China-Aufenthalt Lepantos im Jahr 2015, bei dem der Künstler mit seinen Gemälden von Landschaften Anstoß zum Bau von ökologisch nachhaltigen Städten in China gab. Auf einem gemeinsamen Vortragsabend zum Thema „Ästhetik und Ökologie: Eine neue Ära“ stellten Cheng und Lepanto im Heidelberger Rathaus die Ergebnisse ihres interkulturellen Dialogs sowie ihre jeweiligen Forschungen und Lebenserfahrungen vor.

Xiangzhan Cheng ist Professor für Ästhetik und stellvertretender Direktor des Research Center für Literaturtheorie und Ästhetik an der Shandong University in China. In seinen Kreisen hat er für sein Konzept „Ecosophy C“ internationales Ansehen erlangt. Dabei handelt es sich um einen interdisziplinären Forschungsansatz zwischen „Ecology“ und „Philosophy“, also Ökologie und Philosophie. Das „C“ steht für verschiedene Bestandteile. Unter anderem entnimmt er viele Ideen der „Chinese Culture“. Zudem spielt „Compassion“ in seinen Theorien eine Rolle. Denn ohne sich in andere Lebewesen wie den Fisch hineinzuversetzen, würden dessen Bedürfnisse nicht in Betracht gezogen. Besonderen Wert legt Cheng auf „Community“, die Gemeinsamkeit. Alle Dinge und Lebewesen stünden miteinander in Verbindung und könnten nur gemeinsam funktionieren. Der Mensch dürfe sich die Welt nicht zum Untertan machen.

Wassili Lepanto teilte viele seiner Ansichten, betrachtete sie aber aus einer anderen Perspektive: Der Gemeinderat und Umweltaktivist widmet sich seit den 70er Jahren der „Ökologischen Kunst“ und „stellt sich als Maler in den Dienst der Natur.“ Denn der endlose Energie- und Ressourcenhunger der Menschen, der weit verbreitete Glaube an bedingungslosen technischen Fortschritt sowie die zunehmende Urbanisierung seien eine große Herausforderung und Gefahr für den Menschen und den Planeten. „Ökologische Kunst“ solle die Gesellschaft erziehen und ein größeres Bewusstsein dafür schaffen, welche Verantwortung jeder einzelne Mensch für den Umweltschutz trage. Das bewirke sie durch die Art der Bildkomposition und durch die Verwendung von satten Farben, welche die Kraft der Natur widerspiegeln: Gelb, braun, blau und viele Grüntöne.

Das anschließende Gespräch, zu dem das Publikum mit zahlreichen Fragen beitrug, moderierte die Vorstandsvorsitzende des Konfuzius-Instituts Heidelberg Prof. Dr. Barbara Mittler. Dabei vermittelte sie gekonnt zwischen chinesischen, deutschen und englischen Beiträgen. Durch Prof. Dr. Mittlers Verbindungen zum Heidelberger Cluster of Excellence Asia and Europe in a Global Context wird es womöglich in Zukunft Folgeveranstaltungen und -veröffentlichungen geben.

Cheng Xiangzhan ist Professor für Ästhetik und stellvertretender Direktor des Research Center für Literaturtheorie und Ästhetik an der Shandong University in China. Von 2006-2007 war er Gastwissenschaftler des Harvard-Yenching-Instituts an der Harvard University. Er ist Herausgeber des „Newsletter on Ecoaesthetics and Ecocriticism“ und der „Studies of Literary Theory and Aesthetics“ sowie Mitglied des internationalen Beirats der Zeitschrift „Contemporary Aesthetics“. Zu seinen Forschungsgebieten gehören die Geschichte der chinesischen Ästhetik, Umweltästhetik, Ökoästhetik und Somästhetik.

Wassili Lepanto ist ein deutscher Maler griechischer Herkunft. Er lebt und arbeitet seit 1964 in Heidelberg. Nach dem Studium in Heidelberg und Mannheim promovierte er zum Dr. phil. und wandte sich später als freischaffender Künstler der Malerei zu. Seine Arbeit wurzelt in der Studenten- und Ökologie-Bewegung der 1970er Jahre. Sie ist gekennzeichnet durch die Bejahung des Positiven und stellt Fragen an die ungelösten Probleme in der Welt. Lepantos künstlerische Intention ist die „Ökologische Moderne“. Seit 2009 ist er Mitglied des Heidelberger Gemeinderates mit der selbst gegründeten Kulturinitiative „Heidelberg pflegen und erhalten“.