Erinnerungsmomente – Streifzug durch den chinesischen Film

Von Freitag bis Sonntag, d. 1. bis 3. Juli 2022, findet unser Filmwochenende Erinnerungsmomente. Streifzug durch den chinesischen Film im Medienforum Heidelberg Karlstorkino statt. Inspiriert vom filmischen Austausch zwischen Deutschland und China versteht sich die Filmreihe als ein Streifzug durch das chinesische Filmschaffen der letzten fünf Jahrzehnte und auch als eine Erinnerung an einzelne Menschen, wie den deutschen Produzenten und Filmemacher Manfred Durniok (1934–2003) und seinen Kollegen, den chinesischen Regisseur Wu Yigong (1938–2019). Beide verband eine lebenslange Freundschaft. Zu jedem Film gibt es eine Einführung und ein anschließendes Gespräch. Am Samstagabend ab 20:30 Uhr führen die beiden Filmexpertinnen Dr. Isabel Wolte und Dr. Tao Zhang zusätzlich ein Gespräch über die Entwicklung des chinesischen Films in den letzten 50 Jahren, bei dem die Beteiligung des Publikums herzlich willkommen ist.

Moderation: Dr. Isabel Wolte (Wien) und Dr. Tao Zhang (Heidelberg)

Ort: Medienforum Heidelberg e. V. Karlstorkino, Am Karlstor 1, 69117 Heidelberg

Tickets: Medienforum Heidelberg e. V.

Kooperationsveranstaltung des Konfuzius-Instituts an der Universität Heidelberg e.V. mit dem Medienforum Heidelberg e. V.

Filmprogramm und Filmgespräch

FR 1.7.2022  

19 Uhr

《红高粱》 Das rote Kornfeld / Red Sorghum (Hong gao liang

China, 1987 , OmeU, 86min 

Regie: Zhang Yimou 

Drehbuch: Chen Zhenyu, Zhu Wei, nach dem gleichnamigen Roman von Nobelpreisträger Mo Yan 

Darsteller:innen: Gong Li, Jiang Wen 

Die Geschichte spielt im China der 1920er und 1930er Jahre. Jiu’er, ein achtzehnjähriges Mädchen, soll mit einem wesentlich älteren, leprakranken Schnapsbrenner verheiratet werden. Sie wird in einer Sänfte durch ein wogendes Kornfeld ihrem zukünftigen Ehemann zugeführt. Mitten auf dem Feld wird der Hochzeitszug von einem Bewaffneten überfallen, der die Braut entführen und vergewaltigen will. Einer der Sänftenträger, der junge Yu Zhan’ao, kann dies verhindern. Jiu’er fühlt sich sofort zu ihm hingezogen.

Als Zhang Yimous „Das rote Kornfeld“ 1988 bei der Berlinale den „Goldenen Bären“ gewann, war dies sowohl für das chinesische Kino, als auch für die „Fünfte Generation“ chinesischer Filmemacher, die nach der Kulturrevolution hervorgekommen war, ein entscheidender Moment.

Courtesy: Xi’an Filmstudio

SA 2.7.2022 

16 Uhr

《一个陌生女人的来信》 Brief einer Unbekannten (Yi ge mo sheng nü ren de lai xin)

China, 2004, OmeU, 95min

Regie: Xu Jinglei

Drehbuch: Xu Jinglei, nach der gleichnamigen Novelle von Stefan Zweig

Darsteller:innen: Xu Jinglei, Jiang Wen

Regisseurin Xu Jinglei, die gleichzeitig auch Produzentin und Hauptdarstellerin ist, verlegt die preisgekrönte Adaption der gleichnamigen Novelle von Stefan Zweig in das Peking der 1930er und 1940er Jahre. Der Film erhält durch die Wahl von Peking als Ort der Handlung und durch die Interpretation der Hauptfigur eine ganz eigene Note, obwohl er über weite Teile nahezu wörtlich der Novelle folgt. Xu Jinglei, die als junges Mädchen, ungefähr im Alter der Protagonistin zu Beginn des Films, Stefan Zweigs Novelle zum ersten Mal gelesen hat, war davon tief beeindruckt. Fünfzehn Jahre später, als sie sie wieder zur Hand nimmt, hat sie eine neue, ganz andere Sicht auf die ihr früher so bedauernswert erschienene Hauptfigur.

Es handelt sich hier um den bis dato einzigen Spielfilm Chinas, der auf einem Werk deutschsprachiger Literatur basiert. Daneben existiert noch eine Zeichentrickverfilmung von Reineke Fuchs aus dem Jahr 1989, die von Manfred Durniok mit dem Shanghai Animation Film Studio koproduziert wurde.

© Asian Union Film & Media

SA 2.7.2022 

18 Uhr

《阳关灿烂的日子》 In the Heat of the Sun (Yang guang can lan de ri zi) 

China, 1994, OmeU, 134min

Regie: Jiang Wen

Drehbuch: Jiang Wen, nach dem Roman Wild Beasts (動物兇猛) von Wang Shuo

Darsteller:innen: Xia Yu, Ning Jing, Geng Le, Tao Hong

Mit seinem Regiedebüt gelang dem damals schon erfolgreichen Schauspieler Jiang Wen ein dramatischer Einstieg als Filmschaffender. Die Grundlage für „In the Heat of the Sun“ bildet das Werk Wild Beasts (動物兇猛) des Pekinger Schriftstellers Wang Shuo (geb. 1958), dessen Großstadt-Romane mit ihren schlagfertigen, großmäuligen Protagonisten in China auch als „Herumtreiber-Literatur“ oder „Hooligan-Literatur“ (流氓文学 liumang wenxue) bezeichnet werden.

Erzählt wird die Geschichte einer Gruppe Jugendlicher um den Protagonisten Ma Xiaojun, die in den Jahren der Kulturrevolution mehr oder weniger elternlos aufwachsen, nicht zur Schule gehen und jenseits jeder moralischen Instanz, ohne Perspektive leben.

Es ist Volker Schlöndorff, dem damaligen Direktor der Babelsberg Studios zu verdanken, dass der Film fertig gestellt werden konnte.

© Gala Film Distribution Limited. All Rights Reserved.            Courtesy: „Orange Sky Golden Harvest Entertainment Group“ (橙天嘉禾娛樂集團)

SA, 2.7.22

20:30 Uhr

Gespräch von Dr. Isabel Wolte und Dr. Tao Zhang über die Entwicklung des chinesischen Films in den letzten fünf Jahrzehnten

SO 3.7.2022 

11 Uhr

《城南旧事》 Meine Erinnerungen an das alte Peking (Cheng nan jiu shi) 

China, 1982, OmeU, 96min

Regie: Wu Yigong

Drehbuch: Yi Ming, nach dem Roman von Lin Haiyin

Kamera: Cao Weiye

Produktion: Shanghai Film Studio, 1982

Darsteller:innen: Shen Jie, Zheng Zhengyao, Zhang Min, Zhang Fengyi, Yan Xiang

Lin Yingzi, eine alte Frau, die fern von Peking lebt, erinnert sich voll Wehmut an ihre Kindheit in Peking. Als junges Mädchen lebte sie mit ihrer Familie in einer kleinen Gasse in der Südstadt. Neugierig nahm sie alles auf, was ihr in der großen Hauptstadt begegnete: die alten verfallenen Stadtmauern, den Klang der Glöckchen am Hals der Kamele, das betriebsame Leben in Straßen und Gassen, die merkwürdige Frau am Eingang zum Rathaus, einen Dieb, die Amme Amah Song. Als der geliebte Vater erkrankt und stirbt, beginnt Lin Yingzi über das Leid in der Welt nachzudenken.

Courtesy: Shanghai Filmstudio

SO 3.7.2022 

17 Uhr

《嘉年华》 Angels Wear White (Jia nian hua) 

China/Frankreich, 2017, OmeU, 107min

Regie: Vivian Qu

Drehbuch: Vivian Qu

Darsteller:innen: Vicky Chen, Zhou Meijun, Shi Ke, Geng Le, Lu Weiwei

Eine Kleinstadt an der chinesischen Küste verfolgt halbherzig die Ambition, ihr touristisches Potential zu Geld zu machen. In einem der austauschbaren Hotels entlang des Strandes wird die zwölfjährige Wen Opfer und die Rezeptionistin Mia Zeugin eines Verbrechens. Mia kam als illegale Wanderarbeiterin in die Stadt und verschweigt aus Angst vor den Behörden, was sie gesehen hat. Doch sie ist nicht die einzige Beteiligte, die Konsequenzen fürchtet. In ihrem behutsamen Neo-Noir-Drama konzentriert sich Vivian Qu ganz auf die Perspektive der komplexen weiblichen Figuren und liefert einen entlarvenden Blick auf patriarchale Strukturen. © trigon-film.org

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Kurzbiografien

Dr. Isabel Wolte, Lektorin am Institut für Ostasienwissenschaften im Bereich Sinologie der Universität Wien, studierte zunächst Informatik und Künstliche Intelligenz, dann Klassische Philosophie an der Universität Edinburgh. Von 2003 bis 2011 lebte sie in Peking. 2009 wurde sie an der Peking Film Akademie promoviert. Ihre Doktorarbeit legte sie auf Chinesisch vor. Seit 2003 ist sie Geschäftsführerin der „China Film Consult Wolte KG”, die für die Förderung des kulturellen Austauschs und der Zusammenarbeit mit China auf dem Gebiet der Kultur, vor allem im Bereich Film, tätig ist. Seit 2010 ist Isabel Wolte am Institut für Ostasienwissenschaften/Sinologie der Universität Wien tätig und war außerdem von 2011 bis 2015 Lektorin an der Beijing Film Academy. Darüber hinaus publiziert sie und hält Vorträge zum chinesischen Filmschaffen.

 

Dr. Tao Zhang, akademische Mitarbeiterin des Instituts für Sinologie der Universität Heidelberg, studierte Germanistik mit sinologischen Bestandteilen an der Beijing International Studies University sowie Filmwissenschaft an der Beijing Filmakademie. Ein Auslandsaufenthalt führte sie an die Deutsche Kinemathek, Berlin. Ihre Promotion über Gender-Diskurse und intermediale Bezüge in Erich-Kästner-Verfilmungen schloss sie am Deutschen Seminar und am Institut für Medienwissenschaft der Universität Tübingen ab. Ihre derzeitigen Arbeitsschwerpunkte umfassen Medieneinsatz in der Fremdsprachendidaktik, Coming-of-Age-Geschichten im deutschen und chinesischen Film, Gender-Diskurse, Intertextualität, Erinnerungskultur, Othering-Darstellung in der chinesischen und deutschen Literatur und im chinesischen und deutschen Film.