Modernisierung wird weithin vorrangig als wirtschaftlicher und politisch-administrativer Prozess verstanden. In Europa ging mit dem Modernisierungsprozess im 17.-19. Jahrhundert zugleich ein Disziplinierungs- und Zivilisierungsprozess einher. Auch China bereitet sich auf die “umfassende Modernisierung” bis 2050 vor. In diesem Zusammenhang wird das großangelegte Bemühen des chinesischen Staates übersehen, gesellschaftliches Vertrauen über die Schaffung einer neuen Moralordnung sowie soziale Disziplinierungsmaßnahmen zu erreichen. Die Mittel dazu sind vielfältig: eine beispiellose Antikorruptionskampagne, die Schaffung eines “zivilisierten” Internets, das sog. „Soziale Kreditsystem“ und das Wirken des Staates als „Moralstaat“. Selbst die Bekämpfung des Corona-Virus fügt sich in diese Handlungslogik ein. In der Bevölkerung findet dies durchaus Anklang und Zustimmung.
Um das Verhalten und die Logik des chinesischen Staates besser verstehen und einordnen zu können, bedient sich Thomas Heberer des Konzeptes des ‘Entwicklungs- und Disziplinierungsstaates’. Die innere Logik des Systems und seiner Führung, der Einfluss der politischen Kultur und Geschichte auf die Gegenwart, die Heterogenität Chinas, seine Entwicklungsziele, die Strategien zur Erreichung dieser Ziele und die damit verbundenen Probleme und Chancen werden analysiert und verdeutlicht.
Vortrag und Gespräch mit Seniorprofessor Dr. Thomas Heberer (Universität Duisburg-Essen)
Moderation: Marina Rudyak, Akademische Mitarbeiterin am CATS der Universität Heidelberg
Thomas Heberer ist Seniorprofessor für Politik und Gesellschaft Chinas an der Universität Duisburg-Essen. Er beschäftigt sich seit über 50 Jahren mit China, hat viele Jahre in China gelebt und gearbeitet. Seit den frühen 1980er Jahren führt er auf jährlicher Basis Feldforschung zu verschiedenen Themen und in verschiedenen Regionen durch. Er hat mehr als 60 Bücher und Hunderte von Aufsätzen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften und Buchpublikationen veröffentlicht. Er war Berater der Europäischen Kommission in Sachen China und hat Bundes- und Ministerpräsidenten beratend nach China begleitet. Zudem ist er Mitglied des Redaktionsausschusses zahlreicher internationaler Fachzeitschriften und Buchreihen. Er ist zugleich Ko-Direktor des Konfuzius-Instituts Metropole Ruhr an der Universität Duisburg-Essen.
Marina Rudyak ist Sinologin und an der Schnittstelle zwischen Chinawissenschaften und internationaler Entwicklungszusammenarbeit tätig. Sie ist Postdoc am Centrum für Asienwissenschaften und Transkulturelle Studien (CATS) der Universität Heidelberg. Ihre im April 2020 abgeschlossene Dissertation beschäftigt sich mit der Formierung der chinesischen Entwicklungshilfepolitik und Chinas Rolle als globaler Entwicklungsakteur. Neben ihrer akademischen Tätigkeit leistet sie wissenschaftliche Politikberatung für Entwicklungsorganisationen und NGOs zu Fragen von Chinas internationaler Entwicklungspolitik.
Elisabeth Bach, Gründungsmitglied der China Initiative Heidelberg, e.V., war nach ihrer Promotion in Romanistik und Germanistik jahrelang für die Studienvorbereitung von ausländischen Studierenden an der Fachhochschule Kaiserslautern zuständig. Von 2003 bis 2015 war sie Leiterin eines Kooperationsprojekts der Hochschule Kaiserslautern mit der Shanghai Dianji University. Dazu hielt sie sich mehrfach über längere Phasen von bis zu einem Jahr in Shanghai auf. Elisabeth Bach ist seit 1975 regemäßig in China unterwegs.
Vortrag in Kooperation mit der China Initiative Heidelberg e.V.