Rabelais in Fernost?
Rabelais in Fernost?
Der chinesische Romancier Yu Hua. Erfahrungen seines deutschen Übersetzers mit Autor und Werk
- Termin: Dienstag, 27. April 2010
- Uhrzeit: 15.00 Uhr
- Ort: Kleiner Saal, Stadtbücherei Heidelberg, Poststraße 15, 69115 Heidelberg
Ulrich Kautz liest aus den von ihm ins Deutsche übersetzten Romanen des chinesischen Bestsellerautors Yu Hua, Jahrgang 1960, und stellt den Autor näher vor, den er bei vielen gemeinsamen Lesereisen gut kennenlernte.„Brüder“ heißt das bisher letzte Buch von Yu Hua, das sich allein in China mehr als 1,5 Millionen Mal verkaufte. Es erzählt von zwei ungleichen Brüdern, die als Kinder die Kulturrevolution erleben und erleiden und sich als Erwachsene den neuartigen Anforderungen und Belastungen des heute in China herrschenden Turbokapitalismus stellen müssen. Es ist die Geschichte vom unaufhaltsamen Aufstieg des schlitzohrigen Glatzkopf-Li und vom ebenso unaufhaltsamen Abstieg seines „braven“ Stiefbruders Song Gang, der der rasanten Entwicklung im heutigen China nicht gewachsen ist. Es handelt sich um eine Groteske, nicht frei von tragischen Elementen, in so drastischer und farbenreicher Sprache, dass der Autor von einem französischen Rezensenten schon einmal als „Rabelais in Fernost“ apostrophiert wurde. Der Abend über Yu Hua ist jedoch nicht allein dem neuen Werk gewidmet, sondern beschäftigt sich auch mit seinen früheren Romanen „Leben!“ (1994 von Zhang Yimou verfilmt) und „Der Mann, der sein Blut verkaufte“, die von ihrer literarischen Qualität her mindestens ebenso hoch einzustufen sind wie „Brüder“. „Leben!“ ist die Geschichte des Bauern Fugui und seiner Familie vor dem Hintergrund der wechselvollen Geschichte Chinas in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. „Der Mann, der sein Blut verkaufte“ umspannt die ersten vierzig Jahre der Volksrepublik, als der einfache Arbeiter Xu Sanguan mit seiner Frau unter großen Schwierigkeiten drei Söhne großzieht. Um Geld aufzutreiben, spendet er immer wieder Blut, was ihn fast das Leben kostet. Wie in „Leben!“ wird der Bericht über das mitunter tragische Leben der Protagonisten mit dem Yu Huas Werke kennzeichnenden skurrilen Humor unterlegt, sodass auch Nichtchinesen leicht Zugang zur Lebenswirklichkeit und Gefühlswelt dieser Bücher finden.
Prof. Dr. Ulrich Kautz, Jahrgang 1939, studierter Diplom-Übersetzer und -Dolmetscher für Englisch und Chinesisch, arbeitete nach jahrelanger praktischer Tätigkeit als Translator mehrere Jahrzehnte lang als Hochschullehrer sowie als Übersetzer zeitgenössischer chinesischer Belletristik. Von ihm liegen neben einem Handbuch „Didaktik des Übersetzens und Dolmetschens“ u. a. zahlreiche Übersetzungen chinesischer Schriftsteller wie Yu Hua, Wang Meng, Wang Shuo, Yan Lianke, Feng Li u. a. vor. Im Jahr 2007 erhielt er von der chinesischen Regierung den Staatspreis für besondere Verdienste um die chinesische Literatur im Ausland.