Eine Dystopie aus der sinophonen Welt: New York Ghost von Ling MA

Petra Thiel im Gespräch mit der Literaturkritikerin Claudia Kramatschek.

Lesung: Johanna Withalm

Veranstaltung in deutscher Sprache.

Das Gespräch wird über den YouTube-Kanal des Konfuzius-Instituts live gestreamt. Keine Anmeldung erforderlich.

Candace Chen arbeitet für einen Verlagsdienstleister in New York, für den sie die Produktion von Themenbibeln betreut, die in Südchina hergestellt werden. Die sonst als ziellos und gelangweilt beschriebene Protagonistin und Ich-Erzählerin geht so sehr in ihren gleichförmigen Arbeitsroutinen auf, dass sie zunächst nicht bemerkt, dass in New York ein lebensgefährliches Fieber ausgebrochen ist: das Shen-Fieber. Sein Ursprung liegt in Shenzhen, einem chinesischen Produktionszentrum für zahlreiche Konsumgüter, die über globale Lieferketten weltweit verteilt werden, und die plötzlich von tödlichen Pilzsporen befallen sind. Menschen erkranken, New York ist bald menschenleer. Ein kleines Grüppchen, dem sich Candace anschließt, wandert umher, plündert und richtet sich schließlich in einer Shoppingmall ein. New York Ghost ist ein Pandemieroman, der dystopische Zustände heraufbeschwört und die Risiken globaler Wirtschaftsbeziehungen aufzeigt. In Nebensträngen wird die Migrationsgeschichte der Hauptdarstellerin erzählt, die von Heimatlosigkeit und prekären Lebenszuständen handelt. Ling Mas überaus aktueller Debütroman wurde in den USA bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahr 2018 unter dem Titel Severance veröffentlicht. Die von Zoë Beck angefertigte deutsche Übersetzung erschien 2021 unter dem Titel New York Ghost bei CulturBooks. Im Herbst 2021 wurde New York Ghost mit dem Preis der Hotlist ausgezeichnet.

Kurzbiografien:

Claudia Kramatschek arbeitet seit 1997 als Literaturkritikerin und Moderatorin. Sie schreibt u.a. für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk (u.a. Deutschlandradio Kultur/Deutschlandfunk, WDR, SWR) und moderiert u.a. für das Literaturhaus Stuttgart, die Frankfurter und die Leipziger Buchmesse. Ihr Schwerpunkt ist die Globale Weltliteratur mit Schwerpunkt Indischer Subkontinent/Maghreb. Seit 2011 ist sie Jurymitglied der Bestenliste “Weltempfänger” (litprom – Literaturen der Welt). Seit 2019 ist sie fest angestellt im Kulturamt Heidelberg und Mitglied des Koordinationsteams der UNESCO City of Literature. Claudia Kramatschek ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.

Petra Thiel studierte Moderne Sinologie, Romanistik und Religionswissenschaft in Heidelberg. Ihr Forschungsschwerpunkt ist Kinder- und Jugendbuchliteratur in China und in globalen Kontexten. Thema ihrer Dissertation, die sie im Jahr 2018 abschloss, war der zeitgenössische Adoleszenzroman in China. Seit Mai 2012 ist sie Direktorin des Konfuzius-Instituts an der Universität Heidelberg.

Über die Autorin:

Ling MA, geb. 1983 in Sanming, Provinz Fujian der VR China, ist eine chinesisch-amerikanische Romanautorin und als Assistant Professor für kreatives Schreiben an der University of Chicago tätig. Ihr Debütroman Severance (2018) wurde mit zahlreichen Preisen wie dem Kirkus Prize ausgezeichnet, als „New York Times Notable Book of 2018“ gelistet und kam in die engere Auswahl für den Hemingway Foundation / PEN Award 2019.

Diese Veranstaltung ist Teil der Reihe Von Pandemien und Dystopien: Zeitgenössische Stimmen aus China und der sinophonen Welt.

Foto-Credit: CulturBooks